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WAZ: Debatte über Auslands-Einsätze: Deutschland und der Hindukusch - Kommentar von Lutz Heuken

Essen (ots)

Nun haben die schäbigen Fotos aus Afghanistan ja
doch noch ihr Gutes: Endlich wird - und das nicht nur in Berlin - 
offen über den Sinn der vielen deutschen Auslandseinsätze debattiert.
Denn das begreifen sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung 
bislang offenbar nur die wenigsten: Die Bundesregierung hat nicht das
Technische Hilfswerk an den Hindukusch geschickt und nicht den 
Arbeiter-Samariter-Bund in den Kongo. Sondern Soldaten, die notfalls 
töten müssen. Und die getötet werden können.
Zu den weltweiten Einsätzen der rund 9000 Bundeswehrsoldaten hat 
das Parlament jeweils ohne große Widerrede seine Zustimmung gegeben -
und auch in der Bevölkerung gab es keinesfalls nennenswerten 
Widerstand gegen die Missionen. Denn jedes Mal ging und geht es um 
eine im Prinzip gute Sache: um freie Wahlen im Kongo, um Frauenrechte
in Afghanistan, um ethnische Gleichberechtigung auf dem Balkan. Dass 
der moralische Anspruch der Einsätze nicht unbedingt etwas über deren
Gefährlichkeit und mögliche Verwicklungen aussagt, erkennt man 
teilweise erst jetzt.
Dabei waren Auslandseinsätze für Deutschland lange Zeit ein 
absolutes Tabu. Ausgerechnet eine rot-grüne Bundesregierung brach 
damit. Gegen den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr nach dem 
Weltkrieg - Ende der 90er Jahre auf dem Balkan - gab es noch 
erheblichen Widerstand bei den Deutschen. Den überwand die damalige 
rot-grüne Regierung mit einer zutiefst moralischen Argumentation; 
bemühte Auschwitz, um den Krieg gegen die Völkermörder auf dem Balkan
zu rechtfertigen. Folge dieser Logik: Selbst der Widerspruch der 
pazifistischen Linken gegen deutsche Militäreinsätze im Ausland 
verstummte.
Dieser Tabubruch wirkt bis heute nach: Wer sich nicht gegen einen
Kriegseinsatz auf dem Balkan stellt, der wird sich auch nicht gegen 
humanitär begründete Bundeswehreinsätze wehren - sei es in 
Afghanistan oder im Kongo, am Horn von Afrika oder im Libanon. Dass 
jetzt ausgerechnet die Grünen nach mehr Soldaten für Auslandseinsätze
rufen, spricht für sich: Schon verlangen einige von ihnen, einen 
Einsatz gegen den "Genozid im Sudan" zu prüfen.
Eine künftig gründlichere Überprüfung der Bundeswehreinsätze zu 
fordern, heißt nicht, sich generell gegen die humanitären Ziele 
solcher Missionen zu stellen. Aber es muss härter diskutiert werden: 
Auch über Strucks These, am Hindukusch werde unsere Sicherheit 
verteidigt. So einfach ist das nicht; das merkt Struck jetzt wohl 
selbst.

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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