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WAZ: Die Politik und der Aufschwung: Zeit zur Freude, aber nicht zum Ausruhen - Kommentar von Stefan Schulte

Essen (ots)

Wenn es nicht läuft im Land, schimpfen wir auf die
in Berlin. Wenn es, wie jetzt gerade, gut läuft, schimpfen wir auch 
auf die in Berlin. Undankbares Volk, wir. Hat die Regierung nicht 
auch Anrecht auf ein Stückchen vom Aufschwung?
Nein, leider. Nicht diese Regierung. Den Aufschwung hat uns zu 
einem großen Teil die Weltkonjunktur beschert und zu einem kleinen 
Schröders Agenda 2010. Die neue Regierung hat in zwölf Monaten eine 
Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht, und beileibe nicht alle 
davon sind schlecht. Sie hat die Rente ein Stück sicherer gemacht, 
sie hat Verbesserungen für Familien durchgesetzt. Jobs geschaffen hat
sie nicht.
Wir wollen nicht ungerecht sein: In zwölf Monaten ist es kaum 
möglich, Einfluss auf eine Volkswirtschaft von der Größe der unseren 
zu nehmen. Dass von Reformen erst die Nachfolgeregierungen 
profitieren, darauf steckt sich Schröder womöglich gerade eine Cohiba
an. Und verdrängt, dass er sich fünf Jahre lang zum Handeln hat 
tragen lassen. Die Ära Schröder müsste Ansporn für jede Regierung 
sein, sich lieber früh als spät unbeliebt zu machen. Doch für die 
Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik war das erste schwarz-rote Jahr 
ein verlorenes.
Das eben ist der Unterschied zwischen dem Volk und seinen 
Vertretern: Wir dürfen uns über sinkende Arbeitslosenzahlen einfach 
nur freuen. Von Politikern verlangt ein Boom, sich für sein Ende zu 
rüsten. Wer das nicht tut, kann nur noch reagieren. Der 
Bundespräsident und alle anderen undankbaren Mahner haben Recht, wenn
sie gerade jetzt weitere Reformen fordern. Die Arbeitsgruppe 
Niedriglohnsektor ist gerade dabei, sich wie die Kollegen 
Gesundheitspolitiker in Kleinkriege zu verzetteln. Nicht zuletzt 
wegen Rüttgers' Initiative zum Arbeitslosengeld. So lange diese 
Arbeitsgruppe nichts vorzeigen kann, darf sich die Koalition nicht 
wundern, dass niemand ihr die sinkenden Arbeitslosenzahlen 
zuschreibt.
Auf die Agenda 2007 - 2009 gehören: klare Zuständigkeiten in den 
Hartz-Behörden, Stärkung des Niedriglohnsektors, Senkung der 
Lohnnebenkosten. All das ist Konsens und wäre machbar, würden nicht 
ständig neue Forderungen die Unterhändler zum Neustart zwingen. Wenn 
etwa Glos zum x-ten Mal eine Lockerung des Kündigungsschutzes 
fordert, nimmt er in Kauf, dass sich die SPD an ihren Mindestlohn 
klammert. Nichts davon wird in dieser Legislatur Gesetz werden. Doch 
bis alle Symbolforderungen wieder wegverhandelt sind, vergehen 
jedesmal wertvolle Wochen. Und jedesmal rückt die nächste Wahl näher.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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