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WAZ: Siemens und BenQ - ein Desaster: Der Skandal nach dem Skandal - Kommentar von Ulf Meinke

Essen (ots)

Ein Kapitel deutscher Industriegeschichte geht zu
Ende. Die ehemalige Mobilfunksparte von Siemens, also der letzte 
deutsche Hersteller von Handys, stellt die Produktion ein. Mit dem 
Aus für die einstige Vorzeigefirma, die irgendwann zum Verlustbringer
wurde und zuletzt den exotischen Namen BenQ Mobile trug, wird 
vermutlich das Schlusskapitel in einer Geschichte des grandiosen 
Scheiterns geschrieben. Ausgerechnet der verwundete Siemens-Konzern 
zieht abermals die Wut auf sich, schließlich war es das 
Weltunternehmen aus München, das unter Führung von Klaus Kleinfeld 
aus der eigentlich so ungemein zukunftsfähigen Mobilfunk-Branche 
ausstieg und die heimischen Werke mitsamt der Technologie nach Taiwan
verkaufte.
Was folgte, war eine Chronik des fortgesetzten Niedergangs. Der 
Skandal nach dem Skandal: BenQ blutete aus, was den bösen Verdacht 
erregte, Siemens habe die Pleite der einstmals konzerneigenen Werke 
in Bocholt und Kamp-Lintfort billigend in Kauf genommen, um nicht 
selbst die Drecksarbeit machen zu müssen - Globalisierung pervers. 
Selbst wenn es nicht so war: Die Beschäftigten fühlen sich zu Recht 
verraten und verkauft, selbst der NRW-Ministerpräsident sprach von 
einer "Sauerei".
Was ist nur aus der heilen Siemens-Familie geworden? Eine 
auffallend hübsche Tochter, der ganze Stolz des Mutterhauses, geriet 
in schlechte Hände, rutschte ab in die Verwahrlosung. Dabei ist die 
Industrie-Ikone Siemens mit ihren weltweit 475 000 Mitarbeitern 
einmal durch Kommunikationstechnologie groß geworden. Und Heinrich 
von Pierer ließ als Konzernchef kaum eine Gelegenheit aus, sich mit 
einem hauseigenen Handy fotografieren zu lassen. Dass 
Mobilfunkproduktion auch am Standort Deutschland gelingen kann, 
beweisen Motorola in Flensburg und Nokia in Bochum. Die Konkurrenz 
hatte besser als Siemens verstanden, wie entscheidend der Dreiklang 
Design, Marketing und Innovation ist.
Das Managerduo von Pierer und Kleinfeld trägt auch persönlich 
Verantwortung für das BenQ-Desaster. Ihre Sanierungsversuche 
scheiterten spektakulär und namentlich Kleinfeld war zeitweise direkt
verantwortlich für die Handyproduktion. Zum individuellen Versagen 
kommt die katastrophale Managementstrategie, vor allem von Quartal zu
Quartal zu denken und einzelne Geschäftsbereiche allein an 
kurzfristigem Profit zu messen. Wenn das Beispiel BenQ Schule macht, 
wäre ein fataler Ausverkauf der deutschen Wirtschaft die Folge. 
Insofern hat die aktuelle Pleite auch eine politische Dimension.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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