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WAZ: Suche nach dem Energiemix: Öl-Schock als Therapie - Kommentar von Ulf Meinke

Essen (ots)

Dass ausgerechnet der weißrussische Diktator
Lukaschenko Europas Regierungschefs wachrüttelt und zu einem Umdenken
in der Energiepolitik geradezu auffordert, entbehrt nicht einer 
gewissen Ironie. Dies ist gewissermaßen die gute Seite des 
gefährlichen Kampfes um die weltweit knappen Rohstoffe. Der neue 
Öl-Schock hat also auch eine therapeutische Funktion. Er zeigt die 
Verwundbarkeit der westlichen Industriewelt auf, die nun gefragt ist,
jenseits von eilig einberufenen Krisentreffen ihre Kreativität unter 
Beweis zu stellen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges sind es nun also nicht mehr 
Panzer, sondern Pipelines, die mehr oder weniger unberechenbaren 
Despoten als Waffen dienen. Deutschlands Politik muss sich darauf 
einstellen, dass etliche jener Länder, die über Öl- oder Gasvorkommen
verfügen, weniger verlässlich agieren als etwa der Energieriese 
Norwegen. Die Produzentenländer - seien es Saudi-Arabien, Russland 
oder der Iran - sind sich ihrer Macht sehr wohl bewusst, was dem 
Polit-Slogan Fördern und Fordern eine neue Bedeutung beschert.
Zu einer Versachlichung und Entideologisierung der 
Energiediskussion hat die aktuelle Aufregung über die weißrussische 
Öl-Blockade allerdings noch nicht beigetragen. Dabei muss sich gerade
das rohstoffarme Deutschland darüber klar werden, welcher Energiemix 
politisch gewollt und gesellschaftlich akzeptabel ist. Auch in der 
Debatte über Öl, Gas, Kohle, Kernkraft, Wind, Wasser oder Sonne ist 
vor übergroßen Abhängigkeiten von einer Quelle zu warnen. Die Risiken
und Nebenwirkungen der verschiedenen Energieträger sind bekannt. Man 
darf von der Großen Koalition in Berlin verlangen, dass sie sich auf 
ein schlüssiges Gesamtkonzept einigt, das Umwelt und Verbrauchern 
sowie Sicherheitsinteressen gleichermaßen gerecht wird.
Populismus hilft dabei nicht weiter: Wer nun mit Verweis auf 
Weißrussland die Rückkehr zur Atomkraft verlangt, der verkennt, dass 
sich eine Raffinerie nicht mit Uran betreiben lässt. Der Hinweis auf 
die Vorzüge der Kernkraft beim Klimaschutz bleibt dabei - unabhängig 
von der problematischen Atommüll-Endlagerung - berechtigt. Niemand 
sollte sich blenden lassen: Jeder vermeintliche Energieexperte, der 
eine simple Wahrheit propagiert, ist schlicht ein Blender. Angesichts
der großen Energiekrise ist tatsächlich einmal eine Politik der 
kleinen Schritte sinnvoll. Wie wäre es mit verbrauchsärmeren 
Automotoren und besser gedämmten Hausfassaden? Je größer die 
Energie-Effizienz, desto geringer wird die Macht von Despoten wie 
Lukaschenko.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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