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WAZ: Steinmeier unter Druck: Das miese Spiel mit Murat Kurnaz - Leitartikel von Lutz Heuken

Essen (ots)

Murat Kurnaz ist kein Mensch, den man auf Anhieb
sympathisch finden muss. Seine Frisur und sein langer Bart, der fast 
bis an die Hüfte reicht, mögen befremdlich wirken. Kurnaz kann nicht 
geschliffen parlieren, nicht scharf argumentieren. Sein Leben wirft 
Fragen auf - nicht zuletzt seine Reise nach Pakistan, auf der er 
gefangen genommen wurde und die ihn schließlich ins US-Lager 
Guanta´namo brachte.
Doch: Das alles ist kein Grund, die Regeln des Rechtsstaats außer
Kraft zu setzen. Was mit Kurnaz geschah, widerspricht nicht nur jeder
juristischen, sondern auch jeder menschlichen Kategorie.
Obwohl seit Jahren feststand, dass Kurnaz unschuldig war, 
weigerte sich Deutschland, ihn wieder aufzunehmen. Nicht nur durch 
schäbiges Desinteresse und passives Unterlassen, wie man bislang 
annehmen konnte, sondern durch aktives Hintertreiben, durch Methoden,
die man eher einer Junta als einer demokratischen Regierung zutraut: 
Da sollte mit fadenscheinigen Argumenten die Aufenthaltsgenehmigung 
des Deutsch-Türken in Bremen verschwinden, da sollte gar die 
entsprechende Seite aus dem Pass gerissen werden. Wenn die Vorwürfe 
stimmen, dann handelt es sich bei den Intrigen zwischen Kanzleramt 
und Innenministerium um eine Affäre, die an die Grundfesten dieses 
Staates geht.
Denn zwischen dem Angebot der Amerikaner im Jahr 2002, Murat 
Kurnaz nach Deutschland zu entlassen und der tatsächlichen 
Freilassung im Jahr 2006 liegt für den Gefangenen eine schreckliche 
Zeit: In Guanta´namo, das haben entlassene Häftlinge übereinstimmend 
ausgesagt, werden Menschen gequält, geschlagen und in Isolationshaft 
gehalten. All das hätte die Bundesregierung dem jungen Mann ersparen 
können; sie hätte es ihm ersparen müssen.
Zusätzliche Brisanz erfährt der Skandal, weil er in die 
Verantwortung einer rot-grünen Regierung fällt, einer Regierung, die 
beim Volk viel Rückhalt hatte, weil sie sich strikt gegen den Krieg 
der Amerikaner im Irak stellte und die sich nicht scheute, die 
unmenschlichen Zustände in Guanta´namo anzuprangern. Im Nachhinein 
wirkt so manche Äußerung mehr als verlogen.
Einer der Hauptverantwortlichen für die Affäre ist ganz 
offensichtlich der heutige Bundesaußenminister Frank-Walter 
Steinmeier. Wenn die Vorwürfe stimmen, muss Steinmeier Konsequenzen 
ziehen. Dabei ist es nicht entscheidend, dass Herr Steinmeier 
sympathisch wirkt und als Außenminister gute Arbeit leistet. Er 
müsste zurücktreten.

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Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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