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WAZ: Was kommt nach der Kohle? Reformpaket fürs Ruhrgebiet - Leitartikel von Ulf Meinke
Essen (ots)
Was bleibt, wenn die Kohle geht? Vordergründig und kurzfristig der Eindruck von parteipolitischem Geschacher. Kriegserklärungen, Massenproteste, mehrere ergebnislose Gipfel - am Ende, immerhin, ein erzwungener Kompromiss. Jedenfalls ist die Gefahr groß, dass sich einmal mehr viele Bürger von der Politik abwenden, weil sie die monatelangen Machtspiele schlicht anwidern. Der Kohlekonflikt, dieser bundesdeutsche Dauerstreit, ist auch durch die Große Koalition nicht kleiner geworden. Wieder blockierten sich Bund und Land - ohne Rücksicht auf die Nerven der betroffenen Menschen. Wenn allein die Klientelpolitik zählt, Eitelkeiten von Funktionären wichtiger erscheinen als eine Entscheidung in der Sache, dann ist es soweit: Die politische Klasse insgesamt verliert. Die Folge ist Politikverdrossenheit.
Ja, es lohnt sich, hart um die Zukunft der deutschen Steinkohle zu ringen, denn es geht um Steuergelder in Milliardenhöhe, rund 100 000 Mitarbeiter des RAG-Konzerns und die Zukunft des Ruhrgebiets. Der Bergbau, er ist auch, aber nicht nur ein Symbolthema für diese Region, die doch längst den Kohlenstaub abgeschüttelt hat und viel mehr bietet als Zechentürme. Ohne die Kohle gäbe es das Ruhrgebiet nicht, aber das Ruhrgebiet wird es auch ohne die Kohle geben. Insofern bietet der Abschied von den Bergbau-Subventionen auch die Chance, von einer defensiven in eine offensive Haltung überzugehen. Das Revier ist alles andere als ein Almosenempfänger, sondern Schrittmacher fürs Land. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass die Industrie an Rhein und Ruhr wesentlichen Anteil am deutschen Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre hatte. Und heute gibt es in keiner anderen Region Deutschlands ähnlich viele Großkonzerne und Mittelständler; kaum ein Landstrich der Republik verfügt über ein vergleichbar dichtes Netz aus Hochschulen, Theatern und Konzerthäusern.
Der Kohleausstieg - das ist auch ein Stück Modernisierung und Strukturwandel am Beispiel eines sich wandelnden Zechenkonzerns. Der einstige Subventionsempfänger RAG will schließlich seine Bittstellermentalität hinter sich lassen, strebt mit Macht an die Börse und setzt dabei auf die Zukunftsbranchen Energie, Chemie und Immobilien. Es entsteht ein Dax-Konzern, der sich als Fußball-Sponsor ebenso engagiert wie als Kulturmäzen. Kurzum: Es ist ein regelrechtes Reformpaket fürs Ruhrgebiet. Vielleicht hat dabei sogar das Parteiengezänk eine gute Seite. Es belegt eindringlich, wie wichtig es ist, einen modernen, entpolitisierten Ruhrkonzern zu schmieden.
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