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WAZ: Die Deutschen sind glücklich: Neue Töne im Land des Jammerns - Leitartikel von Ulrich Schilling-Strack

Essen (ots)

Als Deutscher hat man sich zum Thema Glück bislang
nicht allzu oft äußern dürfen. Wir haben es ja eigentlich mehr mit 
dem Unglück. Der düstere Blick auf die Welt als Hort der Düsternis 
hat dazu geführt, dass uns der Rest der Welt als Trauerklöße verlacht
und die einschlägige Fachliteratur von Begriffen wie "German Angst" 
durchzogen ist.
Dass nun zwei Drittel der Deutschen den Sinn des Lebens im 
Glücklichsein ansiedeln, ist also erstmal eine kleine Revolution. Sie
kommt, und auch das ist vielleicht typisch deutsch, eher gemächlich 
daher. Das ist beim Glück aber auch nicht ungewöhnlich. Glück keimt 
zunächst im Verborgenen. Glück ist persönlich. Man kann es haben, man
kann es sein, jeder zählt bei dieser Rechnung auch andere Dinge 
zusammen, und erst in der Summe offenbaren sich flächendeckende 
Verschiebungen.
Man hatte allerdings schon seit längerem gespürt, dass sich etwas
verändert in diesem Land. Das Jammern wurde leiser. Mundwinkel zogen 
sich nach oben. Und das ausgerechnet in einer Zeit, die uns nun 
wirklich eine Menge abverlangt. Zur Woge verdichteten sich diese 
atmosphärischen Strömungen erstmals während der 
Fußball-Weltmeisterschaft. Das Land feierte nicht nur eine fröhliche 
Party, sondern auch sein neues Selbst. Und der Rückschlag wird 
seitdem nicht wie einst mit Wonne als Ende aller Hoffnungen beweint.
Zur Verkündung eines Quantensprungs reichen diese Ergebnisse noch
nicht. Dazu sind sie zu unscharf. Man sollte sich auch hüten, die 
falschen Schlüsse zu ziehen. Wir leben nicht plötzlich im Land des 
Lächelns. Arbeitsplatz, Terrorbedrohung, Klimakatastrophe - Probleme 
gibt es wahrlich genug.
Doch es kommt natürlich darauf an, wie man damit umgeht. Der 
glückliche Mensch glaubt an sich selbst, übernimmt gerne 
Verantwortung und ist vielseitig interessiert, heißt es in der Studie
des Allensbacher Instituts. Das sollten wir als Auftrag begreifen.
Was so alles zum Glücklichsein gezählt wird und wen man als 
glücklichen Menschen empfindet, ist aber auch höchst aufschlussreich.
Familie, Partnerschaft und Freunde stehen offenbar ganz oben auf der 
neuen Liste. Wohlstand und Erfolg im Beruf dagegen nicht. Ist das 
wirklich so? Und Michael Schumacher, Steffi Graf oder Günther Jauch, 
empfinden wir die als glücklich und Angela Merkel nicht, nur weil 
Sportler und Quiz-Onkel professioneller in die Kamera lächeln als die
Bundeskanzlerin?
Noch einige offene Fragen also, und dennoch schon jetzt eine 
bemerkenswerte Erkenntnis: Im Land des Jammerns tut sich was.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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