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WAZ: Über ein Erziehungs-Defizit: Mit Kindern reden - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Kinder nerven. Seltsamerweise kommen sie immer dann
angelaufen, wenn wir gerade mal unsere Ruhe genießen. Wollen ständig 
Sachen wissen, die uns schon lange nicht mehr interessieren ("Papa, 
weshalb ist der Mond so weiß?"). Oder zwingen uns in eine Welt 
zurück, an die wir nicht einmal mehr erinnert werden wollen ("Mama, 
wie rechnet man das?").
Sie sprechen eine Sprache, die nicht unsere ist und von der wir 
uns oft angewidert distanzieren, allerdings in der irrigen Annahme, 
selber damals, im Alter unserer Kinder, schon so dahergeredet zu 
haben wie heute. Sie behelligen uns mit ihrem ungeordneten Leben, dem
wir in langen Kämpfen längst unseren Plan aufgenötigt haben. Sie 
machen ständig Fehler, die bei uns nur Kopfschütteln auslösen; wir 
sind eben aus einer Erfahrung klug, die sie - Kunststück - nicht 
haben. Dass die Fehler unserer Kinder in der Regel leichter zu heilen
sind, nehmen wir nicht wahr, obwohl wir die größeren machen, mit 
deren Korrektur wir so vollauf beschäftigt sind, dass es uns den 
Blick auf die Brut trübt.
Kinder leben, von uns aus gesehen, also in einer Parallelwelt. Zu
der wollen sie uns die Tür öffnen, wir wollen aber allzu oft dort 
nicht rein. Stattdessen neigen wir dazu, im eigenen Interesse die 
Parallelwelt unserer Kinder auch noch wohnlich zu machen: der eigene 
Fernseher auf dem Zimmer, die erlaubten Stunden mit den 
Computerspielen, das frühe Handy zur Pflege der Kommunikation mit 
ihresgleichen. Das Meiste hilft nicht den Kindern, sondern uns.
Unsere Umwelt tut das ihrige: der Kellner im Restaurant setzt uns
mit unseren Kindern in die Ecke und nötigt uns mit strafenden Blicken
zur unangemessenen Ruhe-Erziehung. Väter auf dem Spielplatz gelten 
vielen nur samstags als Normalfall.
Kommunikation mit Kindern ist keine einfache Sache. Ein Esstisch 
hilft schon mal. Familien-Rituale, gemeinsame Mahlzeiten, auch. 
Zusammen Gottschalk gucken. Die Tochter mitnehmen auf Schalke. Den 
Kleinen abends vorlesen, den Großen Goethes Gedichte interpretieren. 
"Wie war dein Tag" fragen. Dabei lernt man selber was. Überhaupt: 
Kommunikation mit Kindern ist irgendwie immer auch eine 
Selbsterfahrungschance. Und eine zur Selbstbestätigung. Wer seinen 
Kindern hilft - dem zwölfjährigen Sohn zum Beispiel bei der 
Bewältigung des ersten Biers -, hat einen Grund, still stolz zu sein 
auf sich. Und bei allem hilft es zu wissen, dass Kommunikation mit 
Kindern ihre Grenzen hat. Denn Kinder nerven ja. Wie Eltern auch.

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Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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