Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Israels Grand Prix Song: Vorsichtshalber schon mal kuschen - Leitartikel von Wilhelm Klümper
Essen (ots)
War da was? Zur Erinnerung: Unsere Freiheit ist mit Blutvergießen gegen die finsteren Mächte des Feudalismus und der Kirche erkämpft worden. Die bürgerlichen Errungenschaften der Französischen Revolution (1789!) haben uns Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit und die Trennung von Staat und Kirche gebracht.
Die 68er gingen mit dem Mief und Muff in der Nachkriegsrepublik hart ins Gericht. Alles war denkbar, aber keinesfalls ein Denk- und Diskussionsverbot. Durch Europa wehte nach dem Zusammenbruch des spießigen Ostblocks ein herzerfrischender Wind. Die westliche Zivilisation feierte die Verbrüderung mit den nach Freiheit lechzenden Menschen aus dem Osten.
Mittlerweile scheint sich in der westlichen Welt allerdings die Feigheit und das Wegducken breitzumachen. Wenn jetzt darüber diskutiert wird, einen vermeintlich Iran-kritischen Beitrag aus Israel nicht zum Eurovision Song Contest zuzulassen, dann wird das ständige Beleidigtsein der Islamisten auch noch belohnt.
Die Macher des Songwettbewerbs haben ihre Entscheidung über die Zulassung des Liedes noch nicht getroffen. Aber die Vorstellung, der iranische Präsident Ahmadinedschad könne sich angegriffen fühlen, reicht aus, schon mal vorauseilend den Kotau zu machen.
Die israelische Band Teapacks versichert, mit der Textzeile "Die Welt ist voller Terror, wenn jemand einen Fehler macht, jagt er uns in die Luft" keineswegs den iranischen Präsidenten und seine Atompolitik gemeint zu haben. Unabhängig davon, dass zum Song Contest keine politischen Lieder zugelassen sind, hätten die israelischen Musiker durchaus Recht damit, wenn sich der Iran angesprochen fühlen würde. Der Islamist Ahmadinedschad leugnet ungestraft den Holocaust und verhehlt nicht, wen er am liebsten mit seinen geplanten Atombomben aus dem Leben bomben würde.
Die ganze Aufgeregtheit um diesen läppischen Song reiht sich ein in die Diskussion um die Mohammed-Karikaturen und die abgesetzte Oper "Idomeneo" in Berlin: Nur ja nicht den Islam provozieren.
Herrgott, was mussten und müssen sich christliche Kirchenvertreter alles von Satiremagazinen, in Stunksitzungen sowie von den Harald Schmidts dieser Welt gefallen lassen! Na und? Das ist unsere Freiheit! Damit das so bleibt, darf der Westen kein Jota vor den reaktionären Islamisten zurückweichen.
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