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WAZ: Merkel pfeift den Minister zurück: Die kurze Karriere des Steuersenkers Glos - Leitartikel von Ulf Meinke

Essen (ots)

Der verlängerte österliche Ausflug von
Wirtschaftsminister Michael Glos auf finanzpolitisches Gebiet ist 
vorerst beendet. Bundeskanzlerin Merkel hat den selbst erklärten 
Steuersenker zurückgepfiffen. Die Sanierung des Haushalts, ließ die 
Kanzlerin über ihren Regierungssprecher verkünden, habe eindeutig 
Priorität.
Nach dem munteren Boulevardtheater der vergangenen Tage könnte 
man nun eigentlich zur Tagesordnung übergehen oder, um einmal 
Politjargon zu bemühen, vom Sonnendeck in den Maschinenraum 
zurückkehren. Allerdings gibt die angestoßene Steuerdebatte - auch 
wenn sie jederzeit ohne aktuelle realpolitische Relevanz war - 
durchaus Aufschluss über die Befindlichkeiten führender 
Repräsentanten des Berliner Regierungsbetriebes. Insofern erscheint 
eine genaue Analyse durchaus lohnenswert.
Immerhin hat Glos in der Manier eines Wahlkämpfers dafür gesorgt,
dass die nach wie vor gravierenden programmatischen Unterschiede der 
großkoalitionären Partner offen zu Tage getreten sind. Auf der einen 
Seite befindet sich eine SPD, die - grob skizziert - vom Grundsatz 
her den starken Staat anstrebt, der die Bürger gegen die großen 
Lebensrisiken absichert. Und auf der anderen Seite steht die Union, 
die den Bürgern mehr Freiheit und zugleich größere Eigenverantwortung
geben will. Weil es die Wähler bei der vergangenen Bundestagswahl 
nicht anders wollten, kann keines der beiden Lager sein Programm 
lupenrein in die Tat umsetzen. Die Große Koalition bleibt ein 
Zweckbündnis auf Zeit.
Ausgerechnet diese Regierung war es übrigens, die vor gerade 
einmal vier Monaten die größte Steuererhöhung der 
Nachkriegsgeschichte umgesetzt hat - und zwar unter Verweis auf die 
nachhaltige Haushaltskrise des Staates, der noch immer mit einem 
Schuldenberg von 1500 Milliarden Euro zu kämpfen hat. Auch Minister 
Glos unterstützte diese Politik. Von den vielen offenen Finanzfragen 
der Bundesregierung - Beispiel Kinderkrippen - ganz zu schweigen.
Den Haushalt in Ordnung zu halten, ist mehr als nur ein 
ehrenwertes Ziel. Jeder gute Bankberater würde seinem Kunden raten, 
zunächst einmal die Schulden abzutragen, um nicht dauerhaft 
Kreditzinsen zu verschwenden. Nichts anderes ist auf Bundesebene 
unter finanzieller Konsolidierung zu verstehen. Auch wenn Minister 
Glos etwas anderes im Sinn gehabt haben dürfte: Dass sein Ruf nach 
einem spendablen Staat den Sparkurs der Regierung letztlich geradezu 
zementiert hat, ist die - durchaus positive - Ironie der Geschichte.

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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