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WAZ: V. d. Leyen, die Krippen, das Geld: Wie Politik Vertrauen verspielt - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Jetzt werden die Zyniker wieder sagen: Was wundert
ihr euch eigentlich, Politik ist doch so. Die Forderung von heute, 
mit der man Wähler ködert, ist morgen schon wieder von gestern. Das 
kennt man doch, das ist nicht neu. Und wie sollte es auch anders 
sein, schließlich gibt es in jeder Koalition, gleich welcher Couleur,
unterschiedliche Interessen. Und der Finanzminister hat ganz 
grundsätzlich sowieso kein Geld. So war das, so ist das, so wird es 
immer sein. Dumm nur, dass Wähler eben nur in den seltensten Fällen 
Zyniker sind.
Die Balgerei um die Krippenplätze dauert nun schon einige Zeit. 
Aus der Sicht der Familienpolitiker besteht Konsens: Erheblich mehr 
Krippenplätze, das braucht man, das ist gut für die Frauen, endlich 
kann Politik mal nützlich sein. Außerdem ist man mit diesem 
Politik-Ansatz auch noch irgendwie modern, urban, und was sonst noch 
alles. Hier fängt nun die Sache an, unangenehm zu werden. Ursula von 
der Leyen hat allerhand unternommen, um über das Krippenthema die CDU
zu verändern. Das ist ihr wohl auch gelungen.
Nur: Mehr Krippenplätze sind eine soziale Leistung, kosten also 
Geld. Viel Geld. Fünf, sechs, sieben, acht Milliarden, je nachdem, 
wen man so fragt. Völlig klar ist, dass man nicht mal eben so den 
Sozialstaat ausbauen kann, nach der Devise: Wer das bezahlt, werden 
wir dann schon sehen. Es ist genau dieser Mechanismus, der Politik 
unseriös macht: Man verspricht was, lässt sich für die Ankündigung 
feiern, schlägt sich in die Büsche und sucht dann, natürlich beim 
Gegner, den Schwarzen Peter.
In jeder Regierung hat der Finanzminister eine Sonderstellung. 
Wie früher in Bonn, so ist heute auch in Berlin der Finanzminister 
der einzige Ressortchef mit Veto-Recht. Seit der Diskussion um die 
Föderalismusreform weiß man überdies, dass es schlecht ist, wenn die 
eine Ebene - der Bund - etwas beschließt, was die nächste Ebene - 
Länder und Gemeinden - dann bezahlen sollen. Denn damit würde ein 
Scheck zu Lasten Dritter ausgestellt.
Das Schlimme ist: Alles das ist bekannt. Und niemand weiß das 
besser als die Politik selbst. Und dennoch verstößt sie permanent 
gegen diese Regeln. Von der Leyen sollte sich nicht wundern, wenn sie
jetzt viele Fans verliert. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben. 
Wichtiger als von der Leyen ist aber, dass die Politik über diesen 
Krippen-Fall wieder einmal dabei ist, eines der übelsten Vorurteile 
über sie zu bestätigen, nämlich: dass man ihr nicht trauen kann. Fast
ein Fall für Zyniker.

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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