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WAZ: Eine Beichte mit Folgen Doping bleibt größter Feind des Sports - Leitartikel von Hans-Josef Justen
Essen (ots)
Ein ehemaliger Spitzensportler, ein Radsport-Profi aus dem deutschen Vorzeige-Team Telekom, hat gebeichtet. Nicht im trauten Dialog, nicht im Vier-Augengespräch, sondern vor einem Millionen-Publikum: In der ARD-Talkshow "Beckmann" gestand der frühere Jan-Ullrich-Kollege Bert Dietz, dass er jahrelang gedopt habe. Systematisch, unter Mitwirkung von zwei Freiburger Ärzten und mit Wissen von (mindestens) einem mächtigen Mann in der Teamleitung. Die Aufregung ist groß, die Bestürzung gewaltig. Doch eigentlich überraschend an dieser Affäre ist lediglich das überraschte Gehabe wichtiger Top-Funktionäre, die in ihrer Empörung so tun, als wäre hier eines der übelsten Geheimnisse des Spitzensports ans Licht befördert worden.
Doch was Bert Dietz "enthüllt" hat (und sein ehemaliger Kollege Christian Henn am Tag danach bestätigte), haben die meisten gewusst und fast alle vermutet. Auch Millionen von Fans, die nicht so naiv und blauäugig sein können, bei Rekorden und geradezu unmenschlichen Anstrengungen an die Mittel des menschlich Machbaren zu glauben: Allein die Tour de France zu fahren, über Tausende von Kilometern, unter täglichen Torturen, in knallender Hitze oder bei krachender Kälte, setzt überirdische Kräfte oder den Eingriff medizinischer Hilfsmittel voraus. Wer das leugnet, belügt sich selbst, egal, ob Fahrer oder Fan.
Bert Dietz, der jahrelang auch ein Teil der Heuchelgemeinschaft gewesen ist, hat Mut bewiesen, als er endlich und als Erster in aller Öffentlichkeit über die skandalösen Verhältnisse im Sp(r)itzensport sprach. Als er auch über den Druck redete, über die Zwänge, die ihn animiert haben, sich an diesem üblen Spiel zu beteiligen: Obwohl Doping vom Sponsor nicht ausdrücklich verordnet wird, verlangt der Sponsor den Erfolg, weil der Sportler sonst das Ende seiner beruflichen Laufbahn erreicht hat. Doch ohne Doping, den größten, schlimmsten Gegner in der Szene, ist der Super-Erfolg nicht mehr möglich.
Hier rotiert ein teuflischer Kreis. Nicht allein im Radsport, sondern nach Ansicht von Kennern auch in fast 70 Prozent aller olympischen Sportarten. Und hier ist neues Denken, hier sind radikale Ansätze gefordert, keine Sonntagsreden: Wer die rücksichtslose Aufklärung fordert, wie nach dem löblichen Geständnis von Bert Dietz zu hören, der muss entschlossen daran mitwirken und sich nicht auf hohles Geplapper reduzieren. Denn sonst geht der Spitzensport vor die Hunde. Und damit eine Vorbildfunktion für Millionen von Menschen, die ihre Idole nicht in der Apotheke suchen.
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