Deutscher Philologenverband e.V.
Deutscher Philologenverband: Fremdsprachenlernen an der Grundschule ist ein Fehlschlag
Meidinger: "Entweder machen wir es zukünftig richtig oder wir lassen es lieber ganz bleiben"
Berlin (ots)
Heftige Kritik an den Ergebnissen des Englisch- und Französischunterrichts an deutschen Grundschulen hat der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, geübt.
Eine Befragung von Englischlehrkräften an Gymnasien habe ergeben, dass in der Regel bereits nach acht Wochen die Vorkenntnisse aus zwei bis vier Jahren Englischunterricht an Grundschulen durch den systematischen Fremdsprachenunterricht an der weiterführenden Schule eingeholt würden. Am Ende des ersten Gymnasialjahres sei der Leistungsstand von Schülern mit oder ohne Frühenglisch an der Grundschule nicht mehr unterscheidbar. Wörtlich sagte der Verbandsvorsitzende: "Unsere Befragungsergebnisse decken sich damit mit den Erkenntnissen kürzlich bekannt gewordener Untersuchungen wie der von Dr. Heiner Böttger oder auch von Prof. Manfred Pienemann von der Universität Paderborn. Wir kritisieren dabei nicht die verdienstvolle Arbeit der Grundschullehrkräfte, wir kritisieren aber das verfehlte Grundkonzept, das in keinem Bundesland funktioniert."
Meidinger verwies darauf, dass drei Gründe für das Scheitern des frühzeitigen Fremdsprachenlernens an deutschen Grundschulen festgehalten werden können:
1. Es gibt nach wie vor viel zu wenig umfassend in der Fremdsprache ausgebildete Grundschullehrkräfte. Beispielsweise genügen in Hamburg vierwöchige Fortbildungs-Schnellkurse, um sich die nötige Unterrichtsberechtigung zu erwerben, während Gymnasiallehrkräfte zehnsemestrige Vollstudiengänge benötigen.
2. Nach wie vor gibt es keinerlei deutschlandweit verpflichtende Bildungsstandards, die in der Fremdsprache am Ende der vierten Klasse zu erreichen sind. Durch die Dominanz des Spielerischen variieren außerdem die Englischkenntnisse der Grundschüler erheblich nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern sogar von Schule zu Schule und von Klasse zu Klasse.
3. Alle Bildungswissenschaftler und Pädagogen sind sich einig, dass nur ein "intensives Sprachbad", d.h. täglicher Fremdsprachenunterricht oder auch bilingualer Unterricht bei Sechs- bis Zehnjährigen, nennenswerte Fortschritte garantiert. Ein bis zwei Wochenstunden sind nach Auskunft der Sprachforscher "für die Katz", zumal der für den Fremdsprachenerwerb genauso wichtige muttersprachliche Unterricht wegen des Grundschulenglisch in fast allen Bundesländern gekürzt wurde. Nur durch eine massive Ausweitung der Stundentafeln an Grundschulen könnte also effektives Fremdsprachenlernen erreicht werden. Das ist aber nirgends geplant.
Weiterhin betonte der Verbandschef, dass die Umfrage des Philologenverbandes auch gezeigt habe, dass die Hoffnung, durch das frühe Fremdsprachenlernen die Freude an der anderen Sprache dauerhaft zu stärken, sich nicht erfüllt habe. Im Gegenteil sei es jetzt viel schwerer als früher, die Anfangsgymnasiasten für ein intensives Fremdsprachenlernen zu begeistern und zu motivieren.
Meidinger forderte, die doch jetzt vorhandenen mehrjährigen Erfahrungen mit dem Fremdsprachenunterricht an der Grundschule unvoreingenommen auszuwerten und dann auch die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. "Die unvorbereitete überstürzte Einführung des Englisch- und Französischunterrichts an den Grundschulen ohne Rücksicht auf die erforderlichen Voraussetzungen gehört nach unserer Überzeugung in eine Reihe mit vielen anderen verfehlten Reformschnellschüssen im Bildungsbereich wie etwa auch der Einführung des achtjährigen Gymnasiums", so Meidinger.
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