Neue OZ: Kommentar zu Theater
Kulturpolitik
Osnabrück (ots)
Frischer Blick auf einen unbequemen Dichter
Eigentlich ist es kaum zu glauben: Kleists Grab am Wannsee sieht heute immer noch so aus, wie sich die NS-Zeit ihren vermeintlichen Nationaldichter zurechtbiegen wollte. Eisengitter, Granit, dazu ein Vers aus dem "Prinzen von Homburg" - fertig ist ein Weihestättchen, wie es kleingeistiger kaum zu denken ist.
Es mussten Jahrzehnte vergehen, bis mit der Umgestaltung der Grabstätte auch einem veränderten Umgang mit Kleist und seinem Werk sichtbarer Ausdruck gegeben wird. Dabei sollte längst klar sein, dass dieser Dramatiker und Novellist nicht auf den nationalistischen Eiferer zu reduzieren ist, zu dem ihn ein längst zerstobener Zeitgeist machen wollte.
Kleist steht für uneingelöste Hoffnung, eine Stellung in der Welt, die niemals über wohlfeile Kompromisse zu retten ist. Der Furor seiner Figuren zielt auf ein restlos authentisches Leben - und nimmt das Scheitern solcher Ansprüche in Kauf. Diesem Lebenskonzept wäre mit der neuen Grabstätte ein bildnerisches Äquivalent zu schaffen. Was für eine Aufgabe!
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