Neue OZ: Kommentar zu Koalition
Osnabrück (ots)
Wann platzt die Inszenierung?
Verhandlungen ist zu eigen, dass am Ende ein Ergebnis steht, über das zuvor, nun ja, eben tatsächlich verhandelt worden ist. Was zwischen Union und SPD geschieht, lässt sich so kaum nennen. Eher handelt es sich um Gespräche im Stil eines Schauspiels. Thema sind Dinge, die längst feststehen oder aber später auf Chefebene entschieden werden. Das Publikum dieses Stücks: Basis und Wähler der SPD, deren Vertreter in den Arbeitsgruppen ihre mannigfaltigen Wünsche zusammengetragen haben. Dies soll die Zustimmung der sozialdemokratischen Mitglieder zum Koalitionsvertrag bringen. Doch langsam müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass von den hochfliegenden Vorhaben der Arbeitsgruppen nur äußerst wenig bleiben wird.
Wenn es dann ans Streichen geht, bedeutet dies eine Düpierung derer, die sich wie die SPD-Frauen Andrea Nahles oder Manuela Schwesig mit Bedingungen und Forderungen besonders weit aus dem Fenster gelehnt haben. Parteichef Sigmar Gabriel kann das recht sein: Geht sein Kalkül auf, hat er gleichzeitig die Zustimmung zur Koalition erhalten und interne Rivalen bloßgestellt. Auf Unionsseite wagt ohnehin keiner, sich der demonstrativen Festlegung von Kanzlerin und Fraktionschef zu widersetzen. Wie aber reagiert das Publikum? Wundert es sich lediglich wegen der rapiden Wende im dritten Akt der Inszenierung? Oder fühlt es sich von Illusionisten virtuos getäuscht? Falls ja, dürfte es bei Buh-Rufen nicht bleiben.
Burkhard Ewert
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