NOZ: NOZ: EU-Wettbewerbskommissarin hält Europäer in der Digitalwirtschaft für naiv und verzagt
Osnabrück (ots)
EU-Wettbewerbskommissarin hält Europäer in der Digitalwirtschaft für naiv und verzagt
Vestager: Überall bezahlst Du mit Daten
Osnabrück. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat den Bürgern der Europäischen Union angesichts der Risiken der Digitalisierung Blauäugigkeit vorgeworfen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) warnte die Dänin insbesondere vor einer übergroßen Freigiebigkeit mit persönlichen Informationen. "Wir müssen den Irrglauben durchbrechen, dass die Preisgabe von Daten keine Art von Bezahlung wäre", sagte Vestager, die durch spektakuläre Wettbewerbsverfahren gegen digitale Weltkonzerne wie Google, Apple und Amazon bekannt geworden ist. "Überall, wo Du nicht mit Bargeld bezahlst, bezahlst Du auch mit Daten", erklärte die EU-Kommissarin. Der Verbraucher werde auf diese Weise selbst Teil eines Produkts und seine Daten zu einer Ware, die weiterverkauft würde. "Man sollte sich hier keine Illusionen machen", warnte Vestager.
Die frühere dänische Ministerin zeigte sich irritiert, wie wenig die Verbraucher auf ihre Rechte achteten. "Wir müssen in viel größerem Maße als bisher aufwachen", rief sie zu mehr Wachsamkeit auf. "Es bringt ja nichts, wenn unsere Politiker unsere Rechte stärken und wir diese als Bevölkerung dann nicht auch nutzen."
Zugleich beklagte Vestager, "dass die Leute offenbar nicht so neugierig und entschlossen sind, etwas Neues auszuprobieren". So gebe es Produkte wie den deutschen Browser Cliqz. "Er bietet neue Möglichkeiten zu sagen, ich will nicht getracked werden, ich will keine digitale Spur hinterlassen. Aber wie bekannt ist er?", fragte Vestager und warb für mehr Wagemut: "Wir brauchen selbstbestimmte Konsumenten und Bürger." Wenn die Bürger es wollten, könnten sogar europäische Alternativen zu Google oder Amazon ähnlich wie in Russland oder China erfolgreich sein. "In Europa gibt es jedenfalls keinen Mangel an Unternehmern, Innovatoren, fähigen Leuten im Tech-Bereich. Wir haben, was wir bräuchten", sagte Vestager. Fraglich sei einzig der Wille der Verbraucher.
Vestager: Digital- und Energiewirtschaft für Wettbewerbsverstöße besonders gefährdet
EU-Kommissarin: Autobranche nicht krimineller als andere
Osnabrück. Trotz neuester Fälle von illegalen Absprachen in der Automobilindustrie hält die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Branche nicht für per se krimineller als andere. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte die Dänin, "wenn es nur sehr wenige Anbieter in einem Sektor gibt, besteht die Verlockung, sich den Markt aufzuteilen". Man handele nach dem Motto "Du nimmst den Osten, ich den Westen". Aber die "Häufung liegt nicht spezifisch an den Branchen Technologie und Automobil, sondern an der Struktur und der Art ihrer Produkte".
Für relevanter als in der Automobilbranche hält es Vestager, gegen Wettbewerbsverstöße in der Digitalwirtschaft und der Energiebranche vorzugehen. "Alles wird digitalisiert. Wenn Dinge sich in einem solchen Ausmaß ändern, ist es besonders wichtig, ein Auge auf die Regeln zu haben", erklärte die EU-Kommissarin. "Meine zweite Priorität gilt der Energie. Der Sektor ist ebenfalls einem grundlegenden Wandel unterworfen." Auf beiden Feldern sei ihre Behörde daher "besonders aufmerksam".
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die EU-Kommission Millionenstrafen gegen die deutschen Automobilzulieferer Bosch und Continental verhängt hat. Bosch habe sich mit japanischen Mitbewerbern über Lieferbedingungen von Zündkerzen verständigt und gemeinsam mit Continental und dem Zulieferer ZF TRW Preise für Bremssysteme abgesprochen. Die Kommission ermittelt gegenwärtig ferner wegen technischer Absprachen der Automobilhersteller VW/Audi/Porsche sowie Daimler und BMW.
Vestager hält dänischen Euro-Beitritt für möglich
Osnabrück. Wegen des Brexits hält die dänische EU-Kommissarin Margrethe Vestager einen Beitritt ihres Landes zur Eurozone in absehbarer Zeit für denkbar. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte sie, angesichts des britischen Austritts sei jeder eingeladen, "an der Debatte über die Zukunft der monetären und wirtschaftlichen Union teilzunehmen. Daran beteiligt sich Dänemark womöglich mit einem neuen Euro-Referendum. Man sollte nicht sagen, dass es das auf keinen Fall geben wird", erklärte Vestager.
Hintergrund ist, dass mit dem Brexit der Anteil der Wirtschaftsleistung von EU-Staaten ohne Gemeinschaftswährung drastisch schwindet. "Man könnte sich also vorstellen, dass im Laufe der nächsten fünf, zehn, fünfzehn Jahre jedes Land Euro-Mitglied werden wird", meinte Vestager mit der Einschränkung, dass eine entsprechende Volksabstimmung in Dänemark auch scheitern könnte. "Das Gute am Abschied der Briten ist jedenfalls, dass es nun immerhin keine Debatten mehr darüber gibt, ob es einen europäischen Haushalt geben soll, ob es ein EU-Parlament geben soll." Die Frage laute nun, "ob wir innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Europäische Union mit dem Euro als einheitliche Währung haben werden - das ist doch ein Fortschritt!", erklärte die Dänin, die der sozialliberalen Partei "Radikale Venstre" angehört.
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EU-Haushalt: Vestager wirbt vor Gipfel für mehr Mittel
Osnabrück. Vor dem Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschef zur Zukunft der EU-Finanzen an diesem Freitag hat EU-Kommissarin Margrethe Vestager für eine Ausweitung der europäischen Aufgaben geworben und im Gegenzug eine Reform der Agrarsubventionen angemahnt. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte Vestager auf die Frage nach Möglichkeiten der Einsparung, "derzeit gehen 40 Prozent des EU-Haushalts in Agrarsubventionen. Das kann man modernisieren." Zugleich sprach sie sich für Investitionen in andere politische Feldern aus: "Wo ergibt es Sinn, gemeinsam Geld auszugeben, statt es jeder für sich zu tun?" Die frühere dänische Ministerin sagte, sie persönlich halte es "für wichtig, dass wir mehr für die Sicherung der Außengrenzen tun, für Cybersicherheit, für die Terrorbekämpfung, vielleicht auch mehr gemeinsame Anstrengungen in Sachen Klimawandel unternehmen".
Vestager lobte ferner die Struktur der EU-Kommission. "Die Art, wie Präsident Juncker die Arbeit organisiert hat, war richtig", sagte sie. Auch das Prinzip, dass jedes Mitgliedsland einen Kommissar stelle, sollte beibehalten werden.
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