Sibel Kekilli: Als Zuschauerin bin ich beleidigt
Osnabrück (ots)
Sibel Kekilli: Als Zuschauerin bin ich beleidigt
Schauspielerin kritisiert deutsche Film- und Fernsehbranche und vermisst den Mut zu innovativen Formaten - #MeToo-Debatte hat nach Ansicht der 41-Jährigen hierzulande kaum stattgefunden - "Mehr Einsatz für Frauen"
Osnabrück. Schauspielerin Sibel Kekilli (41) geht mit der deutschen Film- und Fernsehbranche hart ins Gericht: "Mir scheint, dass die Bedürfnisse des älteren Publikums eher berücksichtigt werden als die der Jüngeren. Es gibt doch fast nur noch Krimis, schlichte Komödien, Arztserien und Quizshows. Als Zuschauerin bin ich da schon etwas beleidigt, dass man mich so unterfordert", sagte sie in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Alles habe seine Berechtigung, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt: "Es braucht auch mal ein Gegengewicht."
"Innovative, außergewöhnliche und gesellschaftspolitische Ideen werden zum größten Teil gar nicht mehr angefasst, weil sie so gut wie keine Chance haben, gefördert zu werden", sagte die 41-Jährige weiter. "Man hat einfach nicht mehr den Mut, so etwas zu machen - oft hört man dann, das sei zu politisch oder zu sehr Arthouse." Dabei hätten Kunst und Kultur doch die Pflicht, solche Stoffe auf künstlerischer Ebene zu transportieren, vielfältig und divers zu sein. "Es gibt in Deutschland sehr wenig Platz für Abenteuer und Experimente, und wenn es ihn mal gibt, dann werden diese Filme gut versteckt und nachts um zwölf gezeigt. Und am Ende heißt es dann: Das hat ja keiner gesehen", kritisierte Kekilli weiter. Länder wie Dänemark seien viel mutiger, was Filme angeht: "Wir aber applaudieren immer den anderen und kopieren es dann bestenfalls. Dass wir mal den ersten Schritt machen, passiert ganz selten."
Auch mit dem Verlauf der #MeToo-Debatte ist die Schauspielerin unzufrieden: "In Deutschland hat sich eigentlich nicht viel verändert, wenn man auf konsequente Umsetzungen in Bezug auf den Umgang mit Frauen schaut." Auch diesbezüglich blicke man erst einmal ins Ausland und mache dann mit: "Aber von einer richtigen Bewegung können wir in Deutschland nicht sprechen." Man gebe sich immer schon mit kleinen Dingen zufrieden, sagte Kekilli und bezeichnete die Debatte in Deutschland als "#MeToo light": "Letztlich fehlt es einfach am Problembewusstsein."
Von einer wie immer aussehenden neuen Bundesregierung erhofft sich Kekilli verstärkten Einsatz für die Frauen: "Natürlich erwarte ich, dass viel mehr in Sachen Frauenrechte passiert. Im Vergleich zu den skandinavischen Ländern etwa hinken wir da wirklich hinterher. Frauen werden in Deutschland immer noch benachteiligt, das fängt schon bei der Bezahlung an. In unserer Gesellschaft bekommen Frauen oft für denselben Job weniger Geld als Männer. Und es stellen sich immer noch ganz viele Betriebe gegen eine Frauenquote, weil sie meinen, das könnten wir doch auch so schaffen. Eben nicht. Und wenn man keine Chance bekommt, sich zu zeigen, zu beweisen und auch nur in die Nähe einer guten Position zu kommen - wie soll eine Frau da weiterkommen?"
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