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Westfalenpost: Mit Respekt Die große Lücke nach Franz Müntefering

Hagen (ots)

Von Bodo Zapp
Noch nie hat Franz Müntefering von allen Seiten so viel 
Anerkennung erfahren wie am Tag seiner Rücktrittserklärung. Anders 
als im politischen Alltagsgeschäft sind die meisten guten Worte ernst
gemeint. Manch einem ist vielleicht erst gestern bewusst geworden,. 
was der SPD, aber auch der Koalition, mit diesem knorrigen Mann 
verloren geht. Leute seines aufrechten Kalibers sind in der großen 
Politik rar.
 Die Entscheidung, auf das Amt des Arbeitsministers und die Position 
des Vizekanzlers zu verzichten, um Zeit für seine krebskranke Frau zu
haben, verdient hohen Respekt. Es gibt Wichtigeres als Politik, sagte
die Kanzlerin, die Müntefering als SPD-Stütze im Kabinett vermissen 
wird. Merkels wackerer Mit-Verteidiger des Koalitionsvertrages hätte 
sich zuletzt allerdings gewünscht, von ihr mehr Unterstützung zu 
erfahren.
 Das vorläufige Scheitern seines Mindestlohn-Projektes schmerzt den 
67-jährigen. Wie auch die Niederlage gegen seine Parteifreunde beim 
Arbeitslosengeld I, dessen Befreiung von Schröderschen Reformfesseln 
aus Sicht des Agenda-Hüters ein Fehler ist. Sein Rücktritt habe rein 
private Gründe, beteuert Müntefering. Die von ihm teilweise wohl auch
als Demütigung verstandene Entmachtung in wichtigen Sachfragen durch 
Kurt Beck mag trotzdem den Abschieds-Entschluss erleichtert haben.
 Was die SPD an ihrem ehemaligen Vorsitzenden hatte, wie groß die von
ihm hinterlassene Lücke ist, wurde bei der Ausstiegs-Pressekonferenz 
mit einem Franz Müntefering in Hochform deutlich. Klare Kante, kein 
gezwirbeltes Reden um den heißen Brei: Minister-Nachfolger Olaf 
Scholz ist fachlich versiert, die Ausstrahlung des Mannes der sich 
auch als "Außenminister" des Sauerlandes Sympathie erwarb, erreicht 
er nicht. Und Walter Steinmeier, der neue Vizekanzler, ist als 
Politiker der eher leisen Töne ein ganz anderer Typ.
 Warum sich SPD-Chef Beck nicht selbst in die Ministerpflicht 
genommen hat, ist nur zu vermuten. Ob er sich von außen, ohne 
Einbindung in die Kabinettsdisziplin, mehr kämpferische Wirkung 
verspricht oder vielleicht sogar den Sprung in die sichere 
Kanzlerkandidaten-Position scheut, aus Selbstzweifel oder warum auch 
immer: Kurt Beck bleibt seiner Fragezeichen-Rolle treu. Ein Zeichen 
für Stärke ist das nicht.
 Er werde sich nicht gänzlich aus der Politik zurückziehen und wolle 
gerne noch an der sozialdemokratischen Rückeroberung von NRW 
mitwirken, sagt Müntefering. Dass die Berliner Parteilinie eine 
andere sein wird als die, die er aus Sach- und Traditionsgründen für 
richtig hält, muss den Vollblut-Politiker bei allen 
Einigkeits-Bekundungen schmerzen. Einer wie er, der seit Jahrzehnten 
sozialdemokratische Fäden mitgezogen und sich unstrittige Verdienste 
erworben hat, kann nicht wirklich von einem Tag auf den anderen 
unbeteiligter Beobachter sein.
 Müde sei er nicht, lässt Müntefering wissen. Vielleicht kommt ja 
noch was. Wichtiger als politische Überlegungen ist aber: Er hat das 
Richtige getan.

Pressekontakt:

Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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