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Westfalenpost: Bube, Dame, Joker

Hagen (ots)

Hessens Parteien fällt die Wahl schwer
Von Bodo Zapp
Wie, Koch ist vorne? Das mitternächtliche Überholmanöver der CDU hat 
gestern viele überrascht, die am langen Wahlabend von einem 
SPD-Vorsprung in Hessen ausgehen mussten. Was nicht bedeutet, dass 
die Wahl-Weiterrechnungen umgeschrieben werden mussten, denn klar ist
im Grunde nichts. Bis auf die Bestätigung der alten Weisheit, dass 
man das Fell des Bären nicht verteilen sollte, bevor er erlegt ist.
 Roland Koch habe den Wählerauftrag zur Regierungsbildung erhalten, 
sagt Kanzlerin Merkel. Mehrheit sei Mehrheit, und sei sie noch so 
hauchdünn. Die Mehrheit habe deutlich gemacht, dass sie Koch nicht 
mehr haben will, folglich werde die "gefühlte" Siegerin Andrea 
Ypsilanti mit den anderen Parteien sprechen, sagt Kurt Beck. Recht 
haben beide, aus ihrer Sicht. Ein wenig erinnert die Deutung des 
SPD-Chefs allerdings an Schröders TV-Auftritt nach der 
Bundestagswahl, als er Merkel die Berechtigung zur Kanzlerschaft 
absprach, ungeachtet der Zahlen.
 Man mag Roland Koch nicht sonderlich sympathisch finden und auf die 
satte Stimmen-Abstrafung verweisen - prozentual hat er die Kurve noch
soeben bekommen. Andrea Ypsilante, den meisten außerhalb Hessens 
zuvor nur als etwas farblose SPD-Rote bekannt, ist nach den 
flüchtigen TV-Eindrücken des Wahlabends durchaus befähigt für das 
Spitzenamt im Hessenland. Aber auf einen unstrittigen 
Ministerpräsidentin-Auftrag kann sich die Senkrechtstarterin auch 
nicht berufen.
 Es wird schwierig in Hessen, für alle. Und es wird sich hinziehen 
mit der Partnerfindung. Die Karten sind kompliziert gemischt. Bube, 
Dame: Den Königsweg kennt noch keiner. Eine Joker-Rolle schreibt die 
SPD der FDP zu: Dreierbund mit den Grünen, das würde passen. Nur will
die FDP nicht mitspielen. Noch? Rot-Dunkelrot, Grün ist auch gut 
vorstellbar, findet die Linke. Da schüttelt sich die SPD. Wie lange? 
Schwarz-Gelb-Grün: Auch vorstellbar, andererseits sorgt der Gedanke 
für Magenschmerzen.
 Wer die Wahl hinter sich hat, hat die Qual. Es geht ja nicht nur um 
vorherige Festlegungen, und im Falle der Meinungs-"Aktualisierung" um
Täuschungsvorwürfe. Es geht vor allem um deutliche Unterschiede in 
der Sache. Schule, Energie: Da passt inhaltlich nicht zusammen, was 
rechnerisch zusammen kommen könnte.
 Also große Koalition, mit Personalkarussell? Koch löst als 
Wirtschaftsminister in Berlin Glos ab, der ins Verteidungsministerium
wechsel, dessen bisheriger Chef Jung nach Hessen zurückkehrt und 
Ministerpräsident wird - da können Schwindelgefühle aufkommen. Aber 
käme auch Freude auf?
 Bis es so weit sein könnte, wird noch viel Wasser Rhein hintunter 
fließen. Schließlich sind auch taktische Gesichtspunkte zu bedenken, 
die schon die "große" Wahl 2009 betreffen. In Wiesbaden selbst gibt 
es zunächst keine Partei, die aus starker Position heraus verhandeln 
kann. Denn die die CDU hat das schlechteste Ergebnis der letzten 40 
Jahre erreicht und die SPD ihr Zweitschlechtestes.

Pressekontakt:

Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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