Westfalenpost: Gabriel und das Tempolimit - Der Sponti an der SPD-Spitze
Hagen (ots)
Rein inhaltlich ist die Einlassung auch schon sehr speziell. Sigmar Gabriel fordert zwar dasselbe wie der Wunsch-Koalitionspartner, aber aus ganz anderen Gründen. Während die Grünen mit Tempo 120 auf Autobahnen das Klima retten wollen, geht es dem SPD-Vorsitzenden um Menschenleben. Also um weniger schwere Unfälle. Aufs Klima hätte die Maßnahme so gut wie keine Auswirkungen, weiß der frühere Bundesumweltminister. Weil er es eben besser weiß als die Grünen.
Noch erstaunlicher aber ist Gabriels Interview-Aussage in taktischer Hinsicht. Hat er die Position zu einem sehr emotionalen und somit im Wahlkampf nicht unwichtigen Thema mit dem Kanzlerkandidaten abgesprochen? Sollte man annehmen. Tatsächlich sagte Peer Steinbrück, auf Gabriels Idee angesprochen, es sei nicht die Zeit, diese Debatte neu zu befeuern.
Offenbar hält es der Parteichef nicht für nötig, den Frontmann über seine Vorstöße zu informieren. Es sind wohl einfach zu viele. Wahrscheinlich verliert er selbst manchmal den Überblick. Ob es um Steuer-Selbstanzeigen geht oder die Verteidiger-Taktik im NSU-Prozess: Gabriel hat immer etwas zu sagen. Sofort. Er ist spontan eloquent, geistesgegenwärtig und unterhaltsam. Langwierige Abstimmungen scheinen ihm dagegen so zuwider wie Teamarbeit oder strategische Planung.
Rein menschlich ist das keine Katastrophe. Zum Vorsitzenden einer Partei, die in fünf Monaten den Kanzler stellen will, qualifizieren solche Eigenschaften weniger. Steinbrück hat anfangs Fehler gemacht und ist dafür über Gebühr angegriffen worden. Wenn die Unterstützung durch die Parteispitze so anhält, hat er auch dann keine Chance, wenn er künftig alles richtig macht.
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