Westfalenpost: Nicht an den Bildern, an den Taten sollt Ihr sie messen!
Kommentar zur Kanzlerin im Hochwasser von Lorenz Redicker
Hagen (ots)
Darf eine Bundeskanzlerin die Hochwassergebiete besuchen und mal eben 100 Millionen Euro Soforthilfe zusagen - keine vier Monate vor der Bundestagswahl? Erinnerungen werden da wach, an den damaligen Kanzler Schröder während der Jahrhundertflut 2002. Wenige Wochen später gelang ihm knapp die Wiederwahl. Seine beherzten Auftritte in Gummistiefeln sollen ihm die entscheidenden Stimmen gebracht haben. Und Merkel? Kritik an ihren Hochwasserfotos ist letztlich heuchlerisch. Die Kanzlerin darf nicht nur Passau, Pirna und Greiz besuchen, sie muss es sogar - um sich ein Bild zu machen von dieser Katastrophe. Alles andere würde Desinteresse vermuten lassen, fehlende Anteilnahme gar. Die warf man George W. Bush vor, weil er 2005 das im Hurrikan Katrina halb versunkene New Orleans erst verspätet aufsuchte. Messen sollte man Merkel nicht an den Bildern, die sie jetzt produziert - wobei sie nicht zufällig auf Gummistiefel verzichtete. Messen sollte man sie an ihren Taten. Die zugesagte Soforthilfe dürfte kaum zu hoch gegriffen sein. Dass Merkel damit Tatkraft beweist, ihr das im Wahlkampf nutzt, kann man ihr nicht vorwerfen. Dass Steinbrück solche Tatkraft in Ermangelung eines Amtes abgeht, ist das Pech des Oppositionspolitikers. Wünschenswert wäre, wenn sich die Kanzlerin und ihre Regierung wie auch die Landesregierungen noch einmal mit der Frage des nachhaltigen Hochwasserschutzes befassten. Nach 2002 ist hier einiges angestoßen, aber längst nicht alles Notwendige umgesetzt worden. Weil manche Dinge Zeit brauchen, aber auch, weil etwa ökonomische Interessen dagegen stehen. Was sich teuer rächen kann.
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