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Neues Deutschland: zum Wahlausgang

Berlin (ots)

Parteien neigen nicht dazu, Wahlergebnisse nach dem
darin aufscheinenden realen Wählerwillen zu durchforsten. Sie 
begnügen sich damit, ein erfreuliches oder unzureichendes - meist ein
erfreuliches - Maß an Bestätigung zu erkennen und Schlüsse auf die 
Effektivität der eigenen Wahlkampftaktik zu ziehen. Je erfolgreicher 
Parteien sind, desto weniger Druck verspüren sie, den Widersprüchen 
nachzugehen, von denen sich die Wähler in ihrer Entscheidung haben 
beeinflussen lassen.
 Dabei verlangte die Bundestagswahl vom Wochenende dringend nach 
einer Selbstbefragung aller Parteien, über Macht- und 
Personaloptionen hinaus. Denn was der Wähler zu allererst hat 
erkennen lassen, ist sein Unmut. Nicht die Zustimmung für 
Schwarz-Gelb war die eigentliche Botschaft, aus der Union und FDP 
jetzt ihren Koalitionsauftrag ableiten. Sondern die Abkehr von den 
sogenannten Volksparteien - ablesbar an der erneut gestiegenen Zahl 
der Nichtwähler und nachlesbar in den Verlusten für die SPD, aber 
auch für CDU und CSU. Auch der Zuwachs der sogenannten, aber längst 
nicht mehr kleinen Parteien ist Folge dieses wachsenden Unmuts.
 Damit tun weiterhin die Fliehkräfte ihr Werk, die die 
Koalitionsmöglichkeiten in den letzten Jahren zuweilen 
unübersichtlich werden ließen. Das Parteiensystem hat mit fünf 
Konkurrenten im Bundestag ein gewisses Maß an Unberechenbarkeit 
erlangt. Diese Tendenz ist mit dem Ergebnis vom Sonntag nicht 
durchbrochen, auch wenn es jetzt so aussieht. Selbst damit nicht, 
dass es - kurioserweise und vermutlich vorübergehend - eine 
scheinbare Rückkehr zu alten Klarheiten gibt. Auch damit nicht , dass
Links und Rechts plötzlich wieder genauer zuzuordnen zu sein 
scheinen. Mancher nimmt dies öffentlich erleichtert zur Kenntnis. Mag
sein, dass die Differenzen im Parlament ein wenig überschaubarer und 
im Koordinatensystem von Links und Rechts anzusiedeln sein werden. 
Alte parlamentarische Haudegen wie Egon Bahr nehmen dies gar befreit 
als eine Wiederbelebung und Stabilisierung der Demokratie wahr. Klare
Fronten zwischen Regierung und Opposition, das Spiel zwischen 
Koalitionsmehrheit und ihrem Korrektiv, Kräftemessen und 
Interessensausgleich, Friede, Freude und  Eierkuchen.
 Doch die Fronten sind nicht so klar. Das zeigt sich natürlich sofort
im schwierigen Verhältnis zwischen SPD und LINKER. Doch vor allem 
zeigt es sich im Wahlergebnis selbst. Trotz überwiegender 
Gegnerschaft großer Teile der Bevölkerung zu zentralen Vorhaben der 
alten wie auch der neuen Regierung hat Schwarz-Gelb die Mehrheit 
errungen. Dieses Paradoxon wird von der neuen Klarheit im Bundestag 
nicht behoben. Die Lage wird auch nicht dadurch klarer werden, dass 
die SPD sehenswerte Verrenkungen veranstaltet, um zugleich ihren 
sozialen Gerechtigkeitssinn und ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis
zu stellen. Unterhaltsame Rededuelle im Bundestag werden den 
Wählerfrust nicht verringern, sondern sie werden ihn eher ignorieren 
helfen.

Pressekontakt:

Neues Deutschland
Redaktion / CvD

Telefon: 030/2978-1721

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