Neues Deutschland: Nach dem LINKE-Parteitag
Berlin (ots)
Keine weitere Personaldiskussion: Das war die Vereinbarung der LINKEN vor ihrem Programmparteitag. Nun kam Tag eins nach Erfurt und in der Presse wurden weitgehend noch anonyme Stimmen zitiert, die Sahra Wagenknecht und Matthias Höhn als künftige Doppelspitze der Partei empfahlen. Zu den nicht anonymen Zuwortmeldern gehört der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow. Er plädierte offen für Wagenknecht als neue Parteivorsitzende. Das drückte er zwar etwas umständlich aus, wünschte ihr »eine stärkere Rolle in der Partei«. Aber da sie bereits Vizevorsitzende ist, gibt es außer dem Vorsitz schließlich keine »stärkere« Parteifunktion. Höhn dagegen sieht er als seinen »Favoriten« als Bundesgeschäftsführer. Ein Schelm, wer zu ahnen meint, warum Ramelow einen von ihm präferierten Ko-Parteichef neben Wagenknecht nicht nennt. Andere haben die Personaldebatte über einen Umweg wieder aufgenommen. Sie raten öffentlich, den für Juni 2012 vorgesehenen Wahlparteitag vorzuverlegen. Klaus Lederer ließ sich so zitieren. Bei Fortnahme der üblichen Girlanden ist das die Botschaft, sich nun möglichst schnell der Parteispitze zu entledigen. Dass der Berliner Landeschef die jetzige nur früher bestätigt sehen will, dürfte man als sehr unwahrscheinlich abhaken. Die LINKE hat ein Führungsproblem, das ist kein Geheimnis. Auch nicht, dass weite Teile der Partei sich eine Erneuerung an der Spitze wünschen, unabhängig davon, welchen Anteil sie einem nicht selten unglücklichen Wirken von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst dabei persönlich zumessen. Aber die LINKE hat sich mit dem Beschluss ihres Grundsatzprogramms gerade als konzeptionell denkende und argumentierende politische Kraft zurückgemeldet, die ihre inneren Widersprüche auch zu produktivem Ergebnis führen kann. Angesichts dessen wäre es in hohem Maß unverständlich, wenn sie das in Erfurt gegossene Porzellan flugs wieder vom Tisch räumt, statt es erst mal ordentlich und öffentlich zu benutzen. Die Personalfragen für die Partei und ihre Außenwirkung überzeugend zu lösen, erfordert denselben behutsamen und professionellen Umgang, den die Partei bei der Verabschiedung ihres Programms gezeigt hat. Dies heißt auch, dass man den jetzigen Vorsitzenden die Chance überlassen muss, den Weg für eine Erneuerung der Parteispitze selbst zu öffnen. Alles andere machte die in Erfurt allseits bekundete innerparteiliche Solidarität zur Pappfigur. In Erinnerung ist immerhin, dass es im Januar 2010 eine Krisenrunde mit allen Landesvorsitzenden war, die Lötzsch und Ernst für die jetzige Doppelspitze nominierte. Das Argument, eine Neuwahl müsse vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein Anfang Mai stattfinden, hat zudem einen potenziell masochistischen Aspekt: Die LINKE ist dort in letzten Umfragen von sechs auf zwei Prozent gerutscht. Niemand kann vorhersehen, was die nächsten Monate bringen, die Wiederaufforstung der LINKEN braucht sicher einen etwas längeren Atem. Sollte einer neuen Parteispitze das Risiko aufgebürdet werden, als erstes den möglichen Verlust einer Landtagsfraktion verteidigen zu müssen?
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