neues deutschland: Mindesthohn
Berlin (ots)
Wer hat' erfunden? Das fragen nicht nur die Schweizer Bonbonmacher in ihrer Werbung, sondern jetzt auch die eine oder andere Partei. Die Rede ist vom Mindestlohn. Klar, es ist ja Wahlkampf. In solchen Zeiten scheint jede Dreistigkeit erlaubt zu sein. Die Grünen, erzählt ihr Spitzenkandidat Jürgen Trittin, wollten schon vor zehn Jahren den Mindestlohn. Doch die SPD habe das blockiert und sei deshalb - großes Ätsch - ganz allein schuld an den Folgen der Agenda 2010. Diesen sozialen Heldenmut müssen Trittins Leute damals gut verborgen haben, womöglich sogar vor sich selbst. Halt, ruft Agenda-Durchpeitscher Franz Müntefering, auch die SPD wollte den Mindestlohn, aber da war ja leider die Sache mit der Tarifautonomie. Wir lernen: alles Gutmenschen, die immer nur das Beste wollten. Und Andrea Nahles, die mal als SPD-Linke galt, fällt zur Agenda ein, dass es bedauerlicherweise ein paar Übertreibungen gab, etwa bei der Leiharbeit. Schönen Dank auch an diese Wendehälse für so viel Selbsthypnose. Schon vergessen, dass die Agenda von Rot-Grün unter schwarz-gelbem Beifall ausdrücklich im Zeichen drastischer Sozialkürzungen durchgesetzt wurde? Schon vergessen, dass Gewerkschafter, die LINKE und andere für die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn lange verspottet wurden? Schon vergessen, dass erst Massenproteste, das Erstarken von Attac und der Linkspartei zu einem gewissen Umdenken führten? Die von den Agenda-Folgen Betroffenen dürfen sich verhöhnt fühlen - mit einer ordentlichen Portion Mindesthohn.
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