neues deutschland: Wachsendes Missverhältnis zwischen Politik und Verfassung: Schrumpfrechte
Berlin (ots)
Ein Grundrecht ist ein Grundrecht nur dann, wenn es beständig, dauerhaft und einklagbar garantiert ist. Alles andere ist eine bloße Regelung auf Zeit, politischen Konjunkturen und aktuellen Opportunitäten unterworfen, so beachtet wie die Werbebeilagen von Zeitungen: Man schaut mal rein, vielleicht findet man was ganz schön - aber dann ist es doch zu teuer oder passt gerade nicht. So könnte beschrieben werden, wie die Große Koalition mit Grundrechten umgeht. Wer sich illusionslos anschaut, welchen Rang einige davon in der gegenwärtigen Politik haben, wird nurmehr von Schrumpfrechten sprechen wollen: Die Würde des Menschen (Artikel 1) spielt im Umgang mit Flüchtlingen so wenig eine Rolle wie bei der Verbrämung der Asyl-, besser: Abwehrpolitik (Da könnte ja jeder kommen!). Der aus dem Persönlichkeitsrecht (Artikel 2) abgeleitete Datenschutz und das Fernmeldegeheimnis (Artikel 10) werden nicht nur verletzt, es windet sich die Regierung auch mit abenteuerlichen Ausreden (Die NSA war's! Wir haben's nicht gewusst! Alles nicht so schlimm!) aus der Verantwortung. Und nun, einen Tag vor dem Geburtstag des Grundgesetzes, wird die Aushebelung der Koalitionsfreiheit (Artikel 9) beschlossen (Streiken stört halt!) - der nächste Angriff auf ein Grundrecht. Es tröstet dabei keineswegs, dass die Karlsruher Richter wieder und wieder Stoppsignale setzen. Jedenfalls nicht, solange Politik es für opportun hält, trotzdem und fortgesetzt Grundrechte zu Schrumpfrechten zu machen.
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