Deutschland droht den Anschluss zum europäischen Ausland zu verlieren
Idstein (ots)
Staatssekretärin spricht sich beim Parlamentarischen Abend von Hochschule für Gesundheit und Hochschule Fresenius für eine Abschaffung der Modellklausel sowie die Einführung regulärer Studiengänge in den Therapieberufen aus. Bundesgesundheitsministerium signalisiert Verlängerung der Klausel um fünf statt um zehn Jahre.
Es kommt Bewegung in die Weiterentwicklung der Modellstudiengänge in den Gesundheitsberufen: Bei einem Parlamentarischen Abend der Hochschule für Gesundheit (hsg) und der Hochschule Fresenius in der vergangenen Woche in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen diskutierten hochrangige Gäste aus Politik, Wissenschaft und Berufspraxis über die Zukunft der Studiengänge in der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) empfiehlt für diese drei Therapieberufe eine Verlängerung der Modellphase um zehn Jahre.
Deutschland würde sich damit international ins Abseits stellen: Europaweit werden Therapeuten an Hochschulen ausgebildet. Selbst die Schweiz mit ihrem hochgeachteten Berufsausbildungssystem hat vor zehn Jahren auf eine Akademisierung umgestellt. "Seitdem ist es gelungen, die Forschung in dem Bereich auszubauen und eine Patientenversorgung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu leisten", sagte Prof. Dr. Astrid Schämann, die das Department für Gesundheit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mitaufgebaut hat. Eine Modellphase wie in Deutschland, hat es in der Schweiz nicht gegeben: "Es wurde nicht getestet - es wurde gemacht."
Das BMG hatte am 17. August 2016 im Bundeskabinett den Bericht zu den Evaluationen der Modellstudiengänge in Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Hebammenkunde vorgelegt und trotz aussagekräftiger Ergebnisse empfohlen, die Modellklauseln in den Gesetzen für die Therapie- berufe um zehn Jahre zu verlängern statt die Studiengänge zügig in den Regelbetrieb zu überführen. Das Kabinett schloss sich der Empfehlung an. Bundestag und Bundesrat müssen nun bis Mitte 2017 darüber entscheiden.
"Eine Verlängerung der Modellklausel wäre für uns extrem frustrierend", sagte hsg-Präsidentin Prof. Dr. Anne Friedrichs. "Wir arbeiten in den Studiengängen wegen der Modellphase von Beginn an unter erschwerten Bedingungen. Die Studierenden haben eine hohe Arbeitsbelastung durch nicht optimal aufeinander abgestimmte Lehr-, Praxis- und Prüfungsphasen. Wir könnten ein wesentlich besseres Studium anbieten, wenn ein paar Weichen anders gestellt würden, aber wir werden daran gehindert."
Im Gegensatz dazu werden die Weichen bei der Akademisierung der Pflege und Hebammenkunde anders gestellt: Mit der Reform der Pflegeberufe, die im Januar 2016 vom Bundeskabinett beschlossen wurde und die sich in der parlamentarischen Abstimmung befindet, wird ein berufsqualifizierendes Pflegestudium festgeschrieben. In der Hebammenkunde ergibt sich nach Auffassung des BMG durch eine EU-Richtlinie des Europäischen Parlaments die Notwendigkeit einer akademischen Ausbildung; die Richtlinie muss bis zum 18. Januar 2020 umgesetzt ein. Dies würde bedeuten, dass die Therapieberufe künftig bei der Akademisierung hinter der Pflege und der Hebammenkunde zurückstehen würden.
Die Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA), Martina Hoffmann-Badache, versprach, sie werde sich mit Nachdruck dafür einsetzen, die Modell- studiengänge in Regelstudiengänge umzuwandeln und zwar zum Ende der Modellphase 2017 und nicht erst in zehn Jahren. Eine Verlängerung der Modellphase sei "nicht nachvollziehbar" und auch "nicht sachgerecht." Eine hochschulische Ausbildung sei sowohl in der Pflege als auch in den Therapieberufen notwendig als Ergänzung zur fachschulischen Ausbildung. "Die Evaluationen bestätigen, dass die Studierenden die Kompetenzen erfüllen, die wir brauchen, um auf komplexe Versorgungsfragen zu reagieren."
Zustimmung kam von den Bundestagsabgeordneten Bettina Müller (SPD) und Dr. Roy Kühne (CDU), beide Berichterstatter ihrer Fraktion für die nicht- ärztlichen Heilberufe. Beide sprachen sich für eine zügige Einführung von regulären Studiengängen und die notwendige Reform der Berufsgesetze aus. Der Vertreter des BMG, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, zeigte sich kompromissbereit: Statt zehn Jahre sei auch eine Verlängerung um fünf Jahre denkbar. "So lange können und wollen wir im Interesse unserer Studierenden und Lehrenden nicht warten", sagte Friedrichs. Aus Sicht der Hochschulen sollten die Studiengänge schnellstmöglich in den Regelbetrieb überführt werden. Dabei müssten die Erkenntnisse aus den Evaluationen umgesetzt und die Berufsgesetze an die hochschulische Ausbildung angepasst werden. Eine Reform sei auch unabhängig von den Studien- gängen notwendig für die Weiterentwicklung der fachschulischen Ausbildung.
Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass die Änderungen zu den Modellklauseln nicht über ein eigenständiges Gesetz geregelt sondern zusammen mit dem Pflegestärkegesetz III verabschiedet werden sollen. "Das wäre aus unserer Sicht ein Schnellschuss. Es blieben nur wenige Wochen Zeit, um sich auf eine konkrete Ausgestaltung der verlängerten Modellphase zu verständigen", sagte Botho von Portatius, ehemaliger Präsident der Hochschule Fresenius und nun Vorsitzender des Hochschulrats. "Jetzt ist es an den engagierten Parlamentariern, die Weichen richtig zu stellen. Wir brauchen eine Gesetzesänderung mit einem verbindlichen Fahrplan und der Möglichkeit, in den Modellstudiengängen stärker von den bislang allein fachschulisch ausgerichteten Berufsgesetzen abweichen zu dürfen."
Über die Hochschule Fresenius
Die Hochschule Fresenius mit ihren Standorten in Frankfurt am Main, Hamburg, Idstein, Köln, München und den Studienzentren in Berlin, Düsseldorf und New York gehört mit mehr als 11.000 Studierenden und knapp 1.000 Fachschülern zu den größten und renommiertesten privaten Hochschulen in Deutschland. Praxisnahe, innovative und zugleich auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes ausgerichtete Studien- und Ausbildungsinhalte, kleine Studiengruppen, namhafte Kooperationspartner sowie ein umfangreiches ALUMNI NETWORK sind nur einige der vielen Vorteile der Hochschule Fresenius. Mit ihrem Stammhaus in Idstein bei Wiesbaden blickt die Hochschule Fresenius auf eine mehr als 168-jährige Tradition zurück. 1848 gründete Carl Remigius Fresenius das "Chemische Laboratorium Fresenius", das sich von Beginn an sowohl der Laborpraxis als auch der Ausbildung widmete. Seit 1971 ist die Hochschule als staatlich anerkannte Fachhochschule in privater Trägerschaft zugelassen und bietet in den Fachbereichen Chemie & Biologie, Design, Gesundheit & Soziales, onlineplus sowie Wirtschaft & Medien Ausbildungs-, Studien- und Weiterbildungsangebote an. Neben Bachelor- und Masterprogrammen in Vollzeit bieten die fünf Fachbereiche mit ihren acht Schools auch berufsbegleitende und ausbildungsbegleitende (duale) Studiengänge an. Im Herbst 2010 wurde die Hochschule Fresenius für ihr "breites und innovatives Angebot an Bachelor- und Master-Studiengängen", "ihre Internationalität" sowie ihren "überzeugend gestalteten Praxisbezug" vom Wissenschaftsrat institutionell akkreditiert. Im April 2016 hat der Wissenschaftsrat die Hochschule Fresenius für weitere fünf Jahre reakkreditiert.
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