BLM Bayerische Landeszentrale für neue Medien
Wer zahlt am Ende die Zeche?
Annäherung der Kontrahenten beim BLM-Forum zum Thema "Kabel-Einspeise-Entgelte auf dem Prüfstand"
München (ots)
Ist am Ende der Kabelkunde der Leidtragende in der Auseinandersetzung um die Kabel-Einspeise-Entgelte, indem er den Haushaltsbeitrag für die öffentlich-rechtlichen Sender und dazu noch erhöhte Kabelgebühren zahlt? Das könnte zumindest eine Folge des Streits zwischen ARD und ZDF auf der einen und den großen Kabelnetzbetreibern Kabel Deutschland und Unity Media auf der anderen Seite sein. Auch wenn sich beim BLM-Forum "Must carry - must offer - must pay?" am 27. November eine Annäherung zwischen den Kontrahenten abzeichnete, werden vermutlich am Ende die Gerichte entscheiden. Einig waren sich die Diskutanten zumindest in der Frage, dass die betroffenen Marktteilnehmer lieber "gemeinsame Anstrengungen" unternehmen sollten, um die Digitalisierung voranzubringen.
Worum geht es in diesem Konflikt und wie wirkt er sich auf die Öffentlichkeit aus? Nachdem ARD und ZDF ihre Einspeiseverträge mit Kabel Deutschland und Unity Media Mitte 2012 gekündigt hatten, zahlen sie seit Januar 2013 keine Entgelte mehr an die großen Kabelnetzbetreiber, denen dadurch Einnahmen von rund 60 Mio. Euro inkl. MwSt. pro Jahr verloren gehen. Als Reaktion darauf haben die Netzbetreiber in mehreren Schritten einige öffentlich-rechtliche Programme aus der analogen und digitalen Kabelverbreitung genommen, die nicht den Must-Carry-Vorgaben unterliegen. Letztendlich, so BLM-Präsident Siegfried Schneider in seiner Einführung, gehe es nun - abseits aller juristischen Auseinandersetzungen - um die Frage, "wer wen mehr braucht".
Beide Seiten haben ökonomische und juristische Gutachten in Auftrag gegeben, die im Rahmen des Forums noch einmal zusammengefasst wurden. Für Dr. Karl-Heinz-Neumann, Gutachter im Auftrag der KDG, ist aus ökonomischer Perspektive klar, dass "must carry" automatisch auch "must pay" bedeute. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben sei eine rein "marktorientierte Einspeisung" in diesem "zweiseitigen Markt" der Kabelnetzplattformen nicht möglich. Entfallen die Entgelte, müssten die Netzbetreiber um zehn Prozent höhere Endpreise nehmen, was eine Diskriminierung der Kabelkunden gegenüber anderen Empfangsarten bedeute. Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, Gutachter im Auftrag des MDR, betonte dagegen, dass die Fähigkeit zur Geschäftsfortführung der Kabelnetzbetreiber durch den Wegfall der Entgelte nicht "signifikant beeinflusst" werde. Im Gegenteil: KDG und Unity Media erhielten im Gegenzug für den Transport das "wertvolle Gut" der Programme. Nach seiner Rechnung müssten die Kabelkunden nur 28 Cent mehr im Monat zahlen, falls die fehlenden Einnahmen umgelegt werden.
Die juristischen Argumente aus dem ARD-Gutachten, das von Prof. Karl-Eberhard Hain erstellt wurde, erläuterte dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter Thomas Wierny. Aus rundfunkrechtlicher Perspektive seien die Fragen nach "must carry" und "must offer" eindeutig mit "yes" zu beantworten. Die Antwort auf "must pay"? laute allerdings "not at all". Es existiere keine Entgeltregulierung durch die Legislative. Aus Gründen der Vielfaltsicherung seien die deutschen "Must Carry"-Pflichten zumutbar und dominierten in der Abwägung die Eigentumsrechte der Netzbetreiber. Nach dem Grundsatz der Sparsamkeit "müssen die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht nur nicht zahlen, sie dürfen es auch nicht".
Öffentlich und vor den Zivilgerichten argumentieren ARD und ZDF damit, dass sie ihren Grundversorgungsauftrag mit der Verbreitung via Satellit und DVB-T erfüllt hätten. Die Gerichte sind bisher dieser Argumentation gefolgt und sehen auch kartellrechtlich keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Position durch ARD und ZDF, wenn die Entgelte nicht gezahlt werden. Diesen Missbrauch sieht der juristische Gutachter im Auftrag der KDG, Prof. Dr. Hans-Heinrich Trute, dagegen sehr wohl. Außerdem, so Trute, beinhalte der Grundversorgungsauftrag auch klar die Kabelverbreitung, die zur "Gewährleistung einer flächendeckenden Verbreitung unverzichtbar ist". Das neue Verständnis von Grundversorgung stelle den Sinn des "Must-Carry-Paragrafen" in Frage. Deshalb sei jetzt eine "glasklare Regelung" von Seiten des Gesetzgebers notwendig.
Um diese Forderung ging es unter anderem in der Podiumsdiskussion: Der Ltd. Ministerialrat Dr. Klaus-Peter Potthast vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie bestätigte, man habe beim §19 des Rundfunkstaatsvertrages als Grundversorgung außer Satellit und Terrestrik selbstverständlich auch die Kabelverbreitung im Auge gehabt, da diese von nahezu 50 Prozent der Bevölkerung in Anspruch genommen werde. Und welche Konsequenzen ergeben sich für die Regulierung? Bisher hat in puncto Einspeiseentgelte nur der private Nachrichtensender N24 Beschwerde gegen die KDG wegen Ungleichbehandlung gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen bei der BLM erhoben, die die KDG aufgefordert hat, N24 ein "chancengleiches und diskriminierungsfreies Angebot" zu unterbreiten. Beide Parteien haben dagegen geklagt. BLM-Geschäftsführer Martin Gebrande bekräftigte auf dem Podium das Meinungsbild der ZAK zu den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages, wonach Netzbetreiber die Kabelprogramme nicht kostenlos transportieren müssten: "Dass man jetzt plötzlich darauf kommt, dass MustCarry und Entgelt keinen Zusammenhang mehr haben, sehe ich nicht." Mit Verweis auf das N24-Verfahren forderte VPRT-Geschäftsführer Claus Grewenig, die Regulierungsbehörden müssten nun "Diskriminierungsfreiheit" durchsetzen, damit der private Rundfunk, der die Entgelte an die großen Kabelunternehmen immer noch zahle, nicht diskriminiert werde.
Prof. Dr. Jens-Ole Schröder, Juristischer Direktor des MDR, verteidigte die Haltung der Öffentlich-Rechtlichen in puncto Grundversorgung. Die Erstverbreitung sei durch Satelliten, Terrestrik und Internetstreaming gesichert, was Dr. Christoph Clement, Mitglied der KDG-Geschäftsleitung, entschieden als "Ausblendung der Realität" bezeichnete. Clement hat trotz der verlorenen Gerichtsverfahren noch Hoffnung, kritisierte aber noch einmal deutlich das nicht marktkonforme Verhalten von ARD und ZDF: Wenn man einfach die Stöpsel ziehe, sei das kein fairer Interessenausgleich. Einen solchen Ausgleich im Interesse des Fortschritts der Digitalisierung zu finden, wollen sich die Kontrahenten nun bemühen.
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