Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zu Bundeswehr
Regensburg (ots)
Bundeswehr außer Tritt
Kritik Eine Reihe schlimmer Verfehlungen trübt das Bild der Truppe, die im größten Umbau ihrer Geschichte steckt. Solche Schlagzeilen hat sich Strahlemann-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ganz und gar nicht gewünscht. Gerade schickt der CSU-Mann die deutsche Armee in die Rosskur der tief greifendsten Reform ihrer 55-Jährigen Geschichte, schafft er de facto die Wehrpflicht ab und macht die Truppe fit für weltweite Militärmissionen. Und nun das. Auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock", einem Aushängeschild der Marine, soll es nach einem tödlichen Unfall einer Offiziersanwärterin Druck, Schikane und schließlich Meuterei gegeben haben. Der Tod eines Soldaten in Afghanistan könnte durch Unachtsamkeit eines Kameraden herbeigeführt worden sein und nicht von ihm selbst, wie es bislang hieß. Es gibt außerdem mysteriöse Fälle von Schnüffeleien in Feldpostbriefen. Zu Guttenberg hat richtigerweise umfassende Aufklärung angeordnet. Flotte Urteile und wohlfeile Vorverurteilungen verbieten sich. Doch die schlimmen Verfehlungen trüben das Bild der Truppe ausgerechnet jetzt, wo sich die Bundeswehr an Haupt und Gliedern erneuern soll. Zur Ehrenrettung der deutschen Armee gehört jedoch, dass die gravierenden Vorkommnisse nicht unter den Teppich gekehrt, sondern auf offener Bühne verhandelt werden. Der Wehrbeauftragte, um den die Bundeswehr von anderen Armeen beneidet wird, hat sich wieder einmal als segensreiche Einrichtung erwiesen. Es gibt eine Art Kummerkasten der Nation, an den sich die Soldaten jederzeit wenden können, ohne dass ihre Anliegen auf dem üblichen Dienstweg abgebürstet werden. Wenn es den Wehrbeauftragten des Bundestages - also relativ unabhängig von den militärischen Strukturen - nicht schon seit Jahrzehnten gäbe, man müsste ihn jetzt glatt erfinden. Minister "KT" zu Guttenberg jedoch muss, wie zuletzt im Fall der Luftschläge bei Kundus mit über 100 zivilen Opfern, nun den, im wahrsten Sinn des Wortes, Verteidigungsminister geben. Er muss den Ruf der Armee verteidigen, in der eben nicht mehrheitlich gewissenlose Schleifer das Kommando führen, sondern verantwortungsbewusste Vorgesetzte. Einzelne Verfehlungen nicht ausgeschlossen. Doch genau um die geht es nun. Dass es zu den schlimmen Vorfällen gekommen ist, zeigt nämlich auch, dass die Grundsätze der inneren Führung nicht immer und nicht überall so umgesetzt werden, wie sie gedacht sind. Zu denken geben muss auch, dass die jüngsten Vorkommnisse nicht auf dem "normalen" Dienstweg an die militärische und politische Führung der Bundeswehr gelangten, sondern über den Sonderweg des Wehrbeauftragten. Auch zu Guttenberg muss sich fragen, wie durchlässig und unbürokratisch die Armee strukturiert ist. Das gilt auch mit Blick auf anstehende Umstrukturierung, wenn künftig nur noch Zeit- und Berufssoldaten sowie freiwillige Wehrpflichtige in der Armee dienen werden. Dann darf sich die Bundeswehr erst recht nicht abschotten von der Gesellschaft, dann darf nicht falscher Korpsgeist die Oberhand gewinnen. Auch dann muss die Armee demokratisch-parlamentarischer Kontrolle unterliegen. Archaische Härterituale, wie sie in Armeen immer wieder vorgekommen, verantwortungslose und unsinnige Befehle oder auch blinder Gehorsam passen zur Berufs-Bundeswehr genau so wenig wie zur Wehrpflicht-Armee. Und zu Guttenberg muss höllisch aufpassen, dass sein strahlendes Saubermann- und Macher-Image nicht durch ähnliche Vorfälle, vor allem aber durch deren unzureichende Aufklärung, Schrammen bekommt.
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