Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Wahl/Mecklenburg-Vorpommern
Regensburg (ots)
Kaum Überraschungen in Schwerin. Das Land im Nordosten der Republik hat beinahe so gewählt, wie es die Umfragen im Vorfeld vorhergesagt hatten. Mecklenburg-Vorpommern lieferte nahezu eine Konstante. Das ist bemerkenswert in turbulenten Zeiten, in denen milliardenschwere Rettungsschirme für notleidende Euro-Staaten aufgespannt werden müssen, in denen die Konjunktur abzukühlen droht, in denen die Bankenkrise noch lange nicht überwunden ist. Sichere politische Verhältnisse mit stabilen Mehrheiten sind in diesen Zeiten nicht selbstverständlich. Eine wieder erstarkte SPD mit dem beliebten Ministerpräsidenten Erwin Sellering machte das Rennen. Zweiter Gewinner sind die Grünen, die bislang noch nie im Schweriner Landtag saßen und mit dem Aufregerthema des atomaren Zwischenlagers bei Greifswald punkten konnte. Der SPD-Mann Sellering, der aus Westfalen nach Mecklenburg-Vorpommern kam und dort den Ossi-Versteher gibt, hat nun sogar die Wahl, ob er weiterhin mit der CDU regieren oder doch ein neues rot-rotes Experiment mit der Linken starten möchte. Es spricht vieles dafür, dass es in dem wirtschaftlich schwachen Land erneut zu Rot-Schwarz kommen dürfte. Die arg gezauste Partei der Kanzlerin wird so manche Kröte schlucken, nur um Sellering keinen Vorwand für Rot-Rot zu liefern. Und in Schwerin gibt es keine wirkliche Wechselstimmung. Die CDU wiederum schwächelte. Auch die Kanzlerin, die sich in ihrer politischen Heimat im Wahlkampf mächtig ins Zeug legte, konnte den Trend gegen die pomadige Landes-CDU nicht umkehren. Nebenbei bemerkt, war man gar nicht so scharf auf den ersten Platz, denn dann hätte die SPD wahrscheinlich mit den Linken koaliert. Die Christdemokraten sind froh, nur als zweiter Sieger ins Ziel gegangen zu sein. Das ist absurd. Die Linke konnte sich dagegen, trotz der Peinlichkeiten um Mauerdebatte und Castro-Brief, relativ stabilisieren. Aber neue Wählerschichten zu gewinnen, gelang ihr nicht. Sie dürfte auch an der Ostseeküste ihren Zenit überschritten haben. Andersherum haben die Streitereien der Bundesspitze der Linken ein Zusammengehen mit dieser Partei extrem schwer gemacht. Auch die SPD wird es sich drei Mal überlegen, ob sie mit den Schmuddelkindern gemeinsam regiert. Aber der viel größere Schatten, der sich über der Wahl legte, ist zum einen die äußerst geringe Wahlbeteiligung. Die große Koalition im Nordosten hat zweifellos viele Reform angestoßen, hat die Landkreise neu gestrickt, die Polizei reformiert und dabei noch kräftig gespart. Doch zugleich hat die Groß-Koalition keine Aufbruchstimmung entfachen können, sondern eher Demokratie- und Politikmüdigkeit gefördert. Der wahrscheinliche Wiedereinzug der rechtsextremen NPD ist ein noch größerer Makel als die Wahlmüdigkeit. Mit dumpfen Losungen und Pöbeleien im Parlament haben die Rechtsaußen dem Ruf des Landes und der politischen Kultur geschadet. Das wird nun weitergehen. Für das schwarz-gelbe Bündnis in Berlin ist die Wahl im Nordosten ein Desaster. Der Union geht der liberale Juniorpartner verloren. Die Kakofonie innerhalb der Bundesregierung schreckt Wähler ab. Die FDP hat trotz neuen Personals an der Spitze einen Neustart vergeigt. Sie hat außer Personalquerelen um Westerwelle nichts geliefert. Der frische Wind aus dem Norden verheißt Rot-Grün.
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