Mittelbayerische Zeitung: Szenen einer Ehe
Regensburg (ots)
Von Christian Kucznierz
Verliebt, verlobt, verheiratet - so schön könnte es sein. Ist es aber selten. Das gilt auch für die schwarz-gelbe Koalition. Als die FDP noch auf der harten Oppositionsbank sitzen musste, sehnten sich Union und Liberale nacheinander. Dann hieß es, man wolle diese Wunschehe wirklich eingehen und besiegelte sie, zwar nicht vor dem Traualtar, aber immerhin vertraglich. 2009 war das. Die Flitterwochen dieser Wunschehe übersprang man zusammen mit den glücklichen Jahren und kam gleich im Alltag an. Nicht in dem glücklichen, in dem Routinen lieb geworden sind. Es war der einer eigentlich gescheiterten Ehe. Seit Sonntag ist Schwarz-Gelb sogar noch einen Schritt weiter. Die ganze Affäre Wulff kann Angela Merkel von Anfang an nicht recht gewesen sein. Christian Wulff war ihr Kandidat. Er war das Projekt dieser christlich-liberalen Bundesregierung. Sein Verbleiben im Amt mag quälend gewesen sein, sogar unerträglich; aber zumindest hatte er der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden nicht geschadet. Das alleine war ein Wert für sich. Die Umfragewerte der Union liegen aktuell bei 38 Prozent, und das liegt vor allem an der CDU-Chefin. Ihr vertrauen derzeit die Menschen. Zu Recht. Denn Deutschland segelt bislang unbeschadet durch die Stürme der Schuldenkrise als Lotse für die restlichen Eurostaaten. Und am Steuer steht Merkel. Kritik aus dem Ausland perlt an ihr ab. Politische Konkurrenz gibt es nicht. Weder in der eigenen Partei, noch außerhalb. Schon gar nicht beim Koalitionspartner. Die FDP ist in der Bedeutungslosigkeit versunken. Zwei bis drei Prozent bekäme sie bei einer Wahl derzeit. Wer den Schuldigen sucht, kann die liberale Führung nennen. Er könnte aber auch die SPD fragen. Die weiß, wie es ist, neben der CDU-Chefin zu regieren. Es muss schrecklich sein. Merkel dominiert, sie überstrahlt alles und alle. Dieses Talent hat sie dorthin geführt, wo sie heute ist. Zumindest war das bis zum Wochenende so. Der Kanzlerin ist am Sonntag ihr taktisches Vermögen abhandengekommen. Sie war bislang immer die kühl-rationale Schachspielern, die immer dem Gegner viele Züge voraus war. Sie dachte vom Ende her. Und in der Wulff-Nachfolge hat das Ende für sie eben nicht Joachim Gauck heißen dürfen, weil er der Kandidat von Rot-Grün war. Weil sie 2010 mit aller Macht gegen ihn gearbeitet hatte, um Wulff durchzusetzen. Weil seine Nominierung 2012 deswegen eine persönliche Niederlage darstellen muss. Dass Gauck unter allen genannten der beste Kandidat war und ist, spielt dabei keine Rolle. Es ging wie immer um Macht. Deswegen ist es für Merkel so fatal, dass sich die FDP auf die Seite des politischen Gegners gestellt hat. Was blieb, war die Option, die Koalition zerbrechen zu lasen - oder Gauck zuzustimmen. Die FDP feiert sich zumindest intern als Sieger. Sie sollte es genießen. Die Position von Parteichef Philipp Rösler ist gestärkt, weil er diesmal nicht umgefallen ist. Weil er der Schachspielerin Merkel diesmal zuvorgekommen ist. Etwaige Wahlniederlagen im Saarland im März oder in Schleswig-Holstein im Mai lassen sich nun leichter überleben. Vielleicht bringt der staatsmännische Akt des Eintretens für einen überparteilichen, beim Volk äußerst beliebten Kandidaten sogar ein paar Prozentpunkte plus an den Urnen. Das aber dürfte es gewesen sein. Im Regierungsalltag braucht Merkel keine Rücksicht auf die FDP zu nehmen. Sie wird es auch nicht mehr tun. Die Liberalen haben kein Druckmittel. Die FDP würde im Moment nicht einmal wieder in den Bundestag einziehen. Ein rot-gelb-grünes Ampelbündnis, das der Sonntagabend andeuten könnte, ist nur auf dem Papier denkbar. Die Gauck-Wahl ist ohne Frage ein Erfolg für die FDP und eine Ohrfeige für Merkel. Doch genau darin liegt die Gefahr für den kleinen Koalitionspartner. Bei zerrütteten Ehen im Film läuft das meist so: Der Ehemann macht in geselliger Runde einen Witz auf Kosten seiner dabei anwesenden Frau. Sie macht gute Miene zum bösen Spiel. Um ihm bei nächster Gelegenheit die Reifen des Sportwagens zu zerstechen. Die FDP kann froh sein, wenn sie mit solchen Kleinigkeiten bestraft wird.
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