Mittelbayerische Zeitung: Rowling, die Gold-Eselin Das neue Buch der Harry-Potter-Autorin wird auf jeden Fall ein Bestseller. Was drinsteht, ist zweitrangig. Von Thomas Dietz
Regensburg (ots)
Von allem, was wir über Joanne K. Rowlings neues Buch "Ein plötzlicher Todesfall" lesen werden, sind die Rezensionen das Unwichtigste - sie pflegen sich bei jeder spektakulären Premiere in alle Richtungen aufzuspreizen. Der plötzliche Todesfall in einer fiktiven, englischen Kleinstadt namens Pagford löst eine Lawine von Intrigen und Gehässigkeiten aus. Man blickt hinter der biederen Dekoration in ein Netzwerk aus Feindschaft, Gewalt, käuflichem Sex und Drogen. Kein schlechter Plot - Vollprofi Rowling und ihre tüchtigen Verlagsberater haben natürlich sorgsam darauf geschaut, dass sich der Stoff auch glatt verfilmen lässt. Wie das nun welchem Rezensenten bisher gefiel, hätte man auch im Voraus parodieren können, ähnlich Ephraim Kishons Starkritiker Kunstetter, der alle Kritiken fertig geschrieben in einem Regal aufbewahrt - sie brauchen nur noch gezogen werden, wenn das betreffende Stück aufgeführt wird. Dieser Kleinstadt-Trouble der Gegenwart war also für den einen Rowlings' tapferes Anpacken sozialer Gegenwartsprobleme, für den anderen ein müdes Anbiedern an großen, zeitkritischen Autor Charles Dickens. Man hörte, dass in dem Buche, das ausdrücklich für Erwachsene geschrieben wurde, obszöne Ausdrücke vorkämen. Das war für den einen peinlich, ordinär und der berühmte Schritt zu weit, für den anderen die Schilderung schmerzhafter Wirklichkeit. Endlich habe Rowling reale Dinge angepackt, Klartext gesprochen, es sei, wie es ist. Das Buch soll sowohl plump zusammengekleistert als auch klug gebaut sein, ach, wäre die Autorin bei ihren Leisten geblieben, nein, sie hat ihren Bruch souverän vollzogen und sich über ihr Fantasy-Kismet Harry Potter hinwegzusetzen vermocht. Interessanter als dies Geplänkel ist das Phänomen Rowling selber. Es gibt eine deutsche Startauflage von 500 000 Exemplaren, der Taschenbuchvertrag mit Ullstein ist unterzeichnet, die Filmrechte verkauft. Die Autorin ist längst zur Geldmaschine geworden. Es ist unglaublich und märchenhaft, wie die von Sozialhilfe lebende alleinerziehende Mutter in den 90er Jahren im Café Elephant House in Edinburgh ihre Harry-Potter-Saga mit dem Kuli in Collegeblocks schrieb. Und dann bei den 20 größten Verlagen abblitzte: "Was haben Sie geschrieben? Über einen Jungen, der zaubern kann!? Jesses, ist Ihnen nichts Besseres eingefallen?" Und wie sie hernach mit dieser originellen und so herrlich britischen Zauberwelt zur Milliardärin wurde. Schnell war klar, dass Joanne K. Rowling einen solch ungeheuren Welterfolg niemals wiederholen kann. Auch mit sieben Folgen ist sie ein "One-book-wonder" wie Patrick Süskind ("Das Parfüm") oder Benjamin Lebert ("Crazy"). Die Geldmaschine darf aber nicht angehalten werden. Neben den profitablen Kinofilmen, dem "Märchen von Beedle dem Barden", dem Harry-Potter-Handbuch und der Website "Pottermore" wird nun also ihr Roman aus Padford vermarktet. Was jetzt noch drinsteht, ist eher unerheblich, so lange Rowling draufsteht. Ähnlich läuft es mit dem Phantom-Bestseller "Shades of Grey" oder den Klamotten der US-Marke "Hollister", die eher bieder sind, die Masche, sie zu verkaufen, aber ganz und gar nicht. Mrs. Rowling ist für die Verlage eine sichere Bank, die Dame verspricht grundsätzlich Traumgewinne. Kleinstadtdramen wie ihre Pagford-Episode dürfte es dutzendfach in erheblich lesenswerterer Qualität geben - veröffentlicht werden sie nur selten, es fehlt halt der Name, der zieht: tja, Pech gehabt. Jede Wette auch, dass das Geschäft mit Harry Potter weitergehen wird. Im Gespräch mit der US-Talkmasterin Oprah Winfrey sagte Rowling: Ich habe noch Stoff für weitere Harry-Potter-Bücher inkl. Teil 10.
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