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Mittelbayerische Zeitung: Die große Steuer-Überraschung
Der Steuersegen in einigen Bundesländern entfacht die Debatte über den Finanzausgleich neu. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Verkehrte Welt? Ausgerechnet das chronisch klamme Berlin, das es sich auf einem Schuldenberg von über 60 Milliarden Euro bequem gemacht zu haben scheint, glänzt mit satten Steuermehreinnahmen. Dass der weiß-blaue Freistaat dank sprudelnder Konjunktur im ersten Halbjahr sogar fast zwei Milliarden Euro mehr an Steuern einnahm, als er ausgab, war dagegen erwartet worden. Mir san mir. Auch das die cleveren Sachsen fast einen Milliarden-Überschuss verzeichnen können, ist nicht ungewöhnlich. Aber nun die Berliner, diese protzsüchtigen "Wir-sind-arm-aber-Sexy-Preußen". Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Oder? Zumindest entfachen die neuesten Halbjahreszahlen über sprudelnde Steuereinnahmen den Streit über den künftigen föderalen Finanzausgleich neu. Die beiden Geberländer im komplizierten Finanzausgleich, Bayern und Hessen, haben bereits - wahlkampfmäßig hitzig - Verfassungsklage gegen das jetzige Umverteilungssystem angekündigt. Die Klageschrift für Karlsruhe ist offenbar nur noch nicht ganz fertig geworden vor den Sommerferien. Nun ja, mit einem Urteil der akribischen Verfassungsrichter ist ja auch erst frühestens in zwei bis drei Jahren zu rechnen. Weit nach den anstehenden Wahlen Landtagswahlen in Bayern und Hessen. So oder so ist eine Reform des Länderfinanzausgleichs, der in seiner jetzigen Ausprägung einst maßgeblich vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber auf den Weg gebracht wurde, angezeigt. Gut wirtschaftende Länder dürfen nicht übermäßig dafür bestraft werden, dass sie so gut haushalten. Und ärmere Länder dürfen durch den Finanzausgleich nicht übermäßig "gepampert" werden. Der föderale Transfer zwischen reichen und ärmeren Ländern muss angemessen erfolgen. Allerdings steckt der Teufel in diesem komplizierten Finanzgeflecht im Detail. Was ist denn angemessen? Die jetzigen Zahlen über das sechsmonatige Steueraufkommen verstellen etwas den Blick auf das grundlegende Probleme, das dahinter steckt. Man sollte sich von der Momentaufnahme nicht zu voreiligen Schlüssen verführen lassen. Berlin etwa hatte ein sattes Plus, das Geberland Baden-Württemberg dagegen ein Milliardenminus zu verzeichnen. Niemand käme deshalb ernsthaft auf die Idee, aus Schulden-Berlin ein Geberland und aus dem Ländle ein Nehmerland zu machen. Die Frage ist vielmehr, ob das jeweilige Land strukturell, von der Wirtschaftskraft her, in der Lage ist, nachhaltig einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Oder besser noch, einen Überschuss zu erzielen. Das fällt wirtschaftlich potenten Ländern im Süden leichter als den Ländern im Norden oder im Osten. Der Verfassungsanspruch gleichwertige, nicht gleiche Lebensverhältnisse herzustellen, gilt aber dort genauso wie im Süden. Viel kräftiger als der jetzige Länderfinanzausgleich entfaltet zudem die Schuldenbremse Veränderungsdruck. Kleine Länder dürften es bis zum Jahr 2020 nicht schaffen, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen und die Haushalte in Ordnung zu bringen. Nicht nur eine - relativ kleine - Reform des Länderfinanzausgleichs ist vonnöten, sondern womöglich auch eine grundlegende Länderneugliederung in Deutschland. Das ist dann wirklich ein dickes Brett zum Bohren.

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