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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Norbert Mappes-Niediek zur Wahl im Kosovo

Regensburg (ots)

Ist jetzt endlich alles klar auf dem Balkan? Verständlich, dass das vereinigte Europa das schmachvolle Kapitel seiner jungen Geschichte endlich abschließen möchte. Schlussstrich-Stimmung hat die gestrige Kommunalwahl im Kosovo dominiert: Erst kam das historische Abkommen zwischen Belgrad und Pristina, das im April geschlossen wurde und den Weg zur Beilegung des letzten offenen Konflikts in der Region öffnen sollte. Gestern nun sollten die Serben im Norden des Kosovo das Abkommen mit ihrer Teilnahme an der Wahl nachträglich gutheißen. Geklappt hat es nicht. Die allerwenigsten Serben im Norden sind wirklich wählen gegangen, sei es aus Protest, sei es aus Angst vor Repressalien durch Extremisten. Das ist bedauerlich, weil es die Normalisierung im Kosovo erst einmal verzögert. Auf einer anderen, höheren Ebene hat der Misserfolg aber auch seinen guten Sinn. Er zeigt: Es gibt keinen Schlussstrich auf dem Balkan, und die raschen Lösungen sind nicht unbedingt die besten. Wie alle nationalen Konflikte im früheren Jugoslawien hatte auch der zwischen Serben und Albanern nicht bloß den Effekt, Reformen innerhalb der beteiligten Nationen zu vertagen und fällige interne Auseinandersetzungen zu verdecken. Nicht selten war gerade das der Sinn der scheinbar ethnisch motivierten Scharmützel. Vor 15 Jahren schaffte es der heftig wankende Slobodan Milosevic mit dem Konflikt um das Kosovo, sein Volk ein letztes Mal hinter sich zu einen. Unter den Albanern schließlich ist noch heute alle Energie wenn nicht auf "Befreiung", dann doch auf Selbstbestimmung, "völlige Selbstbestimmung", internationale Anerkennung gerichtet. Was man mit der ersehnten Selbstständigkeit anfangen soll, ist der politischen Klasse noch keinen Gedanken wert. Das feierliche Versöhnen, das wir auf dem Balkan jetzt erleben, lenkt vom Alltag nicht weniger ab als der angeblich so heilige Krieg, den die Eliten gegen einander ausgefochten haben. Nicht von ungefähr sind es im Kosovo auf beiden Seiten dieselben Leute, die nach dem großen Krieg jetzt den großen Frieden inszenieren: mit den Albanern Hashim Thaci der einstige politische und mit Ramush Haradinaj ein wichtiger militärischer Führer der ominösen "Befreiungsarmee" UCK; mit den Serben Ivica Dacic und Aleksandar Vucic der frühere Milosevic-Sprecher und ein einstiger radikaler Hassprediger. Verhandlungstechnisch mag das praktisch sein - beide Seiten kennen einander ja sehr gut. Aber dass ausgerechnet sie die tragfähigen Lösungen der Zukunft verhandeln sollen, muss schon mulmig stimmen. Wenn sie etwas beherrschen, dann ist es das Machtspiel. Schon in den 90er Jahren haben erst die internationalen Konferenzen, die Friedenspläne und hochkarätigen Verhandlungen Kriegsherrn aller Seiten unanfechtbar gemacht. Die westlichen Friedensstifter wollten es so, getreu dem Grundsatz: In der Hölle ist der Teufel eine positive Gestalt. Heute aber ist der Balkan keine Hölle mehr. Die Hoffnung liegt nicht darin, dass der Herr der Unterwelt vielleicht doch ein Einsehen hat, wenn man nur nett genug zu ihm ist. Heute liegt die Hoffnung auf den vielen Menschen in der Region, die das Machtspiel satt haben, die endlich über Betriebsansiedlungen, Abwasserentsorgung oder Raumplanung reden wollen statt über Nationen und deren Grenzen. Ihnen aber nimmt der "Friedensprozess" im Kosovo so, wie er läuft, das Heft wieder aus der Hand. Bei den großen Haupt- und Staatsaktionen sind die Gewinner nicht die Bürger des Kosovo - die Albaner so wenig wie die Serben oder gar die Angehörigen der kleineren Minderheiten. Im Spiel der Nationen sind ihre banalen Interessen zur Verhandlung nicht zugelassen.

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