Mittelbayerische Zeitung: Großmaul ganz kleinlaut
Donald Trump verliert den ersten Stimmungstest an der Wahlurne. Aber entschieden ist noch nichts. Leitartikel von Thomas Spang
Regensburg (ots)
Das Großmaul gibt sich nach dem Diktum der Wähler in Iowa ungewohnt kleinlaut. Donald Trump blieb nach dem blamablen zweiten Platz nicht viel anderes übrig. Einsilbig fiel seine Rede vor den enttäuschten Anhängern aus. Statt morgendlicher Telefon-Interviews auf den großen Fernsehkanälen herrschte am Tag nach den ersten Vorwahlen ungewohnte Funkstille. Auf Twitter stoppten schadenfrohe Gegner, wie lange der Rechtspopulist schwieg. Mehr als fünfzehn Stunden gab es kein Trump-Gezwitscher. Seine deutliche Niederlage gegen Ted Cruz im Duell der Rechtsaußen zeigte die Grenzen seines Appeals auf. Trump mobilisierte unbestritten neue Wähler, die sich bisher nicht am politischen Prozess beteiligten. Aber nicht genug, um die von Cruz sorgfältig kultivierte Basis an evangelikalen Fundis zu überwinden. Am schmerzhaftesten dürfte der Verlust des Sieger-Nimbus sein. Der Mann, der Amerika verspricht, zu siegen bis es langweilig wird, verlor den ersten echten Stimmungstest an der Wahlurne. Der Polit-Neuling unterschätzte wie wichtig in einem Caucus-Staat wie Iowa die Organisation auf der Mikroebene ist. Es reicht dort nicht Kundgebungen mit grölenden Anhängern zu füllen. Diese müssen am Ende auch bei den Parteiversammlungen auftauchen. Aus der Schlappe lässt sich umgekehrt nicht ableiten, dass Trumps Botschaft keine Resonanz fand. Das düstere Versprechen, eine Mauer an der Südgrenze zu Mexiko zu bauen, gehört heute zum Repertoire vieler Republikaner; wie auch die Hetze gegen illegale Einwanderer und Muslime keine exklusive Domäne des Rechtspopulisten ist. Das gilt insbesondere für Ted Cruz, der sie stilistisch anders vorträgt, aber nicht minder radikal ist. Der Zelot aus Texas gilt als unnachgiebiger Hüter der reinen konservativen Lehre. Ginge es nach ihm, stünden alle Abtreibungen ohne Ausnahmen unter Strafe, liefen alle Amerikaner bewaffnet herum und wäre die Gesundheitsreform Präsident Obamas widerrufen. Das überraschend starke Abschneiden Marco Rubios gibt nur bedingt Anlass zur Hoffnung auf eine moderate Alternative bei den Republikanern. Der Senator aus Florida könnte zwar die bisher zersplitterte Opposition zu Cruz und Trump hinter sich einen. Ob das am Ende reichen wird, deren Nominierung zu verhindern, bleibt dagegen fraglich. Zudem überholt der Senator Cruz und Trump in der Außen- und Sicherheitspolitik auf dem rechten Flügel. Sein Hang zum Interventionismus lässt befürchten, dass er aus den Fehlern der Vergangenheit wenig gelernt hat. Erstaunlicherweise geben sich Cruz und Trump beim Einsatz amerikanischer Militärmacht sehr viel zurückhaltender. Der nüchterne Befund des Wahltags in Iowa zeigt, dass alle Mitte-Rechts-Kandidaten der Republikaner zusammen nicht mehr als auf ein Drittel der Stimmen kommen. So gesehen haben die Wutbürger des Mittleren Westens dem Establishment in Washington gleich zweifach den Mittelfinger gezeigt. Einmal mit Cruz, das andere Mal mit Trump. In gewisser Weise findet sich diese Stimmung auch bei den Demokraten, die in Iowa ein weiteres Mal ihr Unbehagen mit Hillary Clinton signalisierten. Die Weiter-So-Kandidatin verkörpert wie niemand sonst das Establishment der demokratischen Partei. Dass sie in der Wahlnacht gleichauf mit einem selbsterklärten Sozialisten lag, lässt auch bei den Demokraten ein längeres Rennen um die Nominierung erwarten. Trotz Enthusiasmus-Lücke hält Hillary die besseren Karten in der Hand, weil sie praktisch über den Rückhalt der gesamten Ebene der Funktionäre und Mandatsträger verfügt. Zudem haben viele in der mehrheitlich weiblichen Partei das Gefühl, es sei mehr als überfällig, eine Frau im Weißen Haus zu haben. Die Republikaner gehen nach Iowa noch ungewisseren Zeiten entgegen. Nachdem der Durchmarsch des Donald's fürs Erste gestoppt ist, zeichnet sich nun ein zermürbendes Drei-Kandidaten-Rennen ab.
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