Mittelbayerische Zeitung: Kommentar von Kai Gohlke zu Wildkameras in bayerischen Wäldern
Regensburg (ots)
Geht es um Überwachung und ihre Gefahren, wird reflexartig Georg Orwell und sein Roman "1984" zitiert. Darin überwacht ein totalitärer Staat, personifiziert im fiktiven "Großen Bruder", seine Bürger mit allgegenwärtigen Fernsehgeräten, die Bild und Ton an die Zentrale der allmächtigen "Partei" übertragen. Seit Orwell vor 70 Jahren seine Geschichte erdachte, hat die Technik seine Vorstellungen weit überholt. Smartphones mit GPS-Empfängern, Mikrofonen und Kameras sowie leistungsfähiger Gesichts- und Spracherkennung, die praktisch ununterbrochen - und für den Besitzer kaum nachvollziehbar - einem weltweiten Datennetz Bewegungsprofile und privateste Kommunikation übermitteln: Gäbe es diese Technik in Orwells Roman, wäre die Auflehnung seiner Protagonisten gegen das System noch viel früher im Keim erstickt worden. Keine Frage: Wer sich in die Natur zurückzieht, der sollte eigentlich nicht damit rechnen müssen, unwissentlich fotografiert oder gefilmt zu werden. Eine echte Gefahr für die persönliche Freiheit sind ein paar Tausend Wildkameras in Bayerns weitläufigen Wäldern aber noch lange nicht. Den Großen Bruder tragen wir längst bereitwillig in unseren Hosentaschen mit uns herum.
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