Mittelbayerische Zeitung: Schatten und Licht
Der Regensburger Spendenskandal bekräftigt die Staatsverdrossenen - sendet aber auch ein beruhigendes Signal
Regensburg (ots)
Es ist ein Desaster, für die Stadt, aber auch für das Gemeinwesen. Die ungeheuerlichen Vorgänge im Regensburger Rathaus bestätigen alle Politik(er)verdrossenen, die das Wort Volksvertreter immer schon in Anführungszeichen setzten. Denn "die da oben" stopfen sich ja ohnehin nur die Taschen voll - und zwar auf Kosten des Steuerzahlers. Ja, das idyllische Donaustädtchen sendet gerade verheerende Signale ins Land. Einerseits. Andererseits geht von hier auch eine starke, vertrauensbildende Botschaft aus: Die Ermittlungsbehörden leisten gute Arbeit. Bis zum Hals im Morast stecken der amtierende Oberbürgermeister und sein Vorgänger. Und viele Bürger fragen sich jetzt, wie die mindestens fragwürdigen, wahrscheinlich sogar strafbaren Deals über Jahre ohne Mitwisser in Verwaltung und Kommunalpolitik abgewickelt werden konnten. Die ganze Stadtpolitik ebenso wie die Verwaltung muss um ihr Ansehen fürchten. Dabei weisen städtische Angestellte Kaffeekassenspenden über zehn Euro stets höflich aber bestimmt zurück. Nähmen sie mehr an, könnten sie ihren Job verlieren. Der Schaden ist enorm. Welches Unternehmen wird in Regensburg investieren, bevor endgültig alle Mauscheleien offengelegt sind? Wer will sich in solchen Zeiten noch in der Politik engagieren? Die Aufbruchstimmung, die mit der Wahl von Joachim Wolbergs einherging, ist bodenloser Enttäuschung gewichen. Fassungslosigkeit herrscht vor allem bei denjenigen, in deren Augen die seit Juni 2016 laufenden Ermittlungen nichts anderes als eine groß angelegte gemeinschaftliche Verschwörung sein konnten: Politische Gegner und Medien wollten einen erfolgreichen SPD-Politiker zur Strecke bringen. Dass Berichterstatter den Oberbürgermeister "wie Freiwild" behandelten, wurde kritisiert, von Hetzkampagnen war die Rede. Wolbergs selbst ging in die Vorwärtsverteidigung. Alle Versuche, den OB zum Opfer einer instrumentalisierten Justiz zu stilisieren, sind aber spätestens seit Donnerstag hinfällig. Seither wissen wir, dass auch die Vorermittlungen gegen den ehemaligen CSU-OB Hans Schaidinger Verdächtiges zutage gefördert haben. Sollte es eines Beweises bedürfen, dass die Strafverfolgungsbehörden ohne Ansehen des Parteibuchs arbeiten, ist er damit erbracht. Dem Paukenschlag - der Verhaftung von drei Verdächtigen - wird nun voraussichtlich erst einmal weiteres akribisches Sichten folgen. Wieder wurden von der der 13-köpfigen Ermittlungskommission Unterlagen sichergestellt, vermutlich werden über die bisher zwei Millionen E-Mails hinaus noch viele weitere unter die Lupe genommen. Die Strafverfolger agieren "nicht mit Schaum vor dem Mund, aber auch nicht zahnlos", wie die Staatsanwaltschaft ihr Selbstverständnis formuliert. Man muss den Mut und die Konsequenz anerkennen, mit der die Behörden daran gegangen sind, Vorfälle aufzuarbeiten, die sich irgendwo im Grenzbereich zwischen Gefälligkeiten, Hinterzimmer-Handschlaggeschäften und handfester Kriminalität abgespielt haben. Von einem "einzigartigen Fall" ist in den letzten Tagen bundesweit die Rede. Das bezieht sich auf das Ausmaß der Vorwürfe, aber auch auf die Aufklärungsarbeit der Behörden. Die stehen seit den NSU-Morden und zuletzt dem Fall Amri heftig in der Kritik. In Regensburg beweisen sie gerade, dass die Bürger Vertrauen in diesen Staat haben können. Sie untermauern das, was Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Abschiedsrede als wichtigen Beweis für die Funktionsfähigkeit und Wehrhaftigkeit der Demokratie in Deutschland angeführt hat: Das Recht ist nicht in der Hand der Macht. Und irgendwann kommt jede Mauschelei ans Licht.
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