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Mittelbayerische Zeitung: Seltsame Gesichtswahrung
Maaßen wird überraschend zum Innen-Staatssekretär befördert. Damit hat sich Seehofer durchgesetzt. Aber auch Merkel und Nahles haben etwas erreicht. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Zu einem riesigen Heißluftballon hatten Horst Seehofer, Andrea Nahles und Angela Merkel den Fall des Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen in den vergangenen zwei Wochen aufgeblasen. Es hagelte Forderungen nach Maaßens Rauswurf aus dem Amt, vor allem von SPD-Chefin Nahles. Die hatte sich verdammt weit aus dem Fenster gelehnt. Das Kanzleramt ließ durchsickern, dass der Spitzenbeamte nicht länger tragbar sei. Nur Horst Seehofer hielt in Treue fest zum obersten Schlapphut des Inlandsgeheimdienstes. Doch wer meinte, der gestrige Krisengipfel der drei Großkopfeten der GroKo werde mit einem gewaltigen Donnerwetter enden, etwa dem Rauswurf von Maaßen und Seehofers Entlassung aus dem Ministeramt durch die Kanzlerin gleich mit, der wurde von einer Volte überrascht, die kaum einer vorhergesehen hatte. Das Koalitions-Trio verständigte sich auf eine seltsame Form der Gesichtswahrung: Maaßen verliert den Spitzenjob beim Verfassungsschutz, wird allerdings im Gegenzug zum Innenstaatssekretär im Hause Seehofer wegbefördert. Gestern wurde mit einem leisen Psst Luft aus dem Polit-Ballon gelassen. Auf solch einen Coup muss man erst mal kommen. Auf den ersten Blick betrachtet, hat sich Horst Seehofer durchgesetzt, der weiterhin seine schützende Hand über den beamteten Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik halten kann. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass auch der knorrige Bundesinnenminister den hoch umstrittenen Maaßen nicht im angestammten Amt halten konnte. Seehofer ist, schaut man nüchtern auf das gestrige Berliner Ergebnis, Merkel in einem Punkt unterlegen. Der stufenweise Abstieg des einstigen starken bayerischen Löwen setzt sich nach seinem Abschied als Ministerpräsident aus München und dem Gewichtsverlust auf dem letzten CSU-Parteitag fort. Allerdings ist Seehofer - und mit ihm die CSU-Landesgruppe in Berlin - noch so mächtig, dass Merkel ihn jetzt nicht einfach aus dem Amt jagen kann. Das würde ohne Zweifel das Ende der jetzigen, äußerst fragilen Koalition bedeuten - und auch Merkels Langzeitkanzlerschaft abrupt beenden. Merkel und Seehofer sind wie zwei angeschlagene Boxer, die sich zwar immer noch attackieren, aber gegenseitig auch stützen. Vor dem völligen Absturz. SPD-Chefin Angela Nahles wiederum hatte als erste aus der GroKo-Spitze zum Abschuss Maaßens geblasen und dabei den Mund zu voll genommen. Sie hatte damit nicht nur Merkel unter enormen Druck gesetzt, sondern auch eine Haltelinie beschrieben, hinter die die SPD nicht zurückgehen durfte. Nun darf man gespannt sein, wie die SPD-Vorsitzende und Pipi-Langstrumpf-Verehrerin diesen seltsamen Kompromiss erklären wird. Maaßen ist zwar weg aus dem obersten Verfassungsschutzamt, doch an eine Beförderung auf einen Staatssekretärsposten, auf dem er noch viel näher an der Politik ist als vorher, hätte Nahles wohl im Traum nicht gedacht. Nun muss sie ihren verblüfften Genossen und staunenden Wählern die gestrige Lösung im Kanzleramt Pipi-Langstrumpf-mäßig schön bunt anmalen, wie sie ihr gefällt. Freilich kann die gestrige, seltsame und nur vordergründig gesichtswahrende Lösung des Falles Maaßen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in dieser GroKo zugeht wie in einem Tollhaus. Als hätte das Land keine anderen Probleme, als würden nicht Mieten explodieren, Dieselfahrer verunsichert, als hätte man nicht genug Probleme mit Migration, Kriminalität und Abschiebung und als würde Deutschland international nicht dringend als Stabilitätsanker benötigt, zwang Berlin dem Land eine zweitrangige Politposse auf. Und dabei erbebte die schwarz-rote Regierung wieder einmal in ihren Grundfesten. Wann fangen die endlich an, vernünftig zu regieren?

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