Französische Parlamentarier mutiger als deutsche Abgeordnete ? / Greenpeace, Misereor und Bundesärztekammer lehnen Patente auf Lebewesen und Gene ab
Berlin (ots)
Greenpeace, Bundesärztekammer und Misereor warnen heute erstmals gemeinsam die Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete davor, die Gen-Patentrichtlinie der EU umzusetzen. Die Richtlinie erlaubt ausdrücklich die Patentierung von Teilen des menschlichen Körpers, von Genen sowie von Pflanzen und Tieren. Der bekannte Neurobiologe Professor Martin Heisenberg vom Lehrstuhl Genetik an der Universität Würzburg unterstützt die Forderung auf der gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin. Die Patente sind nach Ansicht der drei Organisationen ethisch nicht zu verantworten und schaden sogar der Wirtschaft. Greenpeace belegt dies mit zehn Patentanträgen, die die Umweltschutzorganisation recherchiert hat und heute vorstellt.
Obwohl das entsprechende Gesetz seit Monaten beraten wird und kurz vor der Abstimmung steht, weist die Patent-Richtlinie so gravierende Mängel auf, dass die EU sie nach Ansicht von Misereor, Bundesärztekammer und Greenpeace komplett neu verhandeln sollte. Die Parlamente in Frankreich und Luxemburg haben sich vor wenigen Wochen gegen die Patentierung menschlicher Gene ausgesprochen und setzen die EU-Richtlinie vorerst nicht um.
"Man könnte die Patent-Richtlinie einfach als handwerkliche Stümperei abtun, wenn sie nicht solche dramatischen Auswirkungen hätte auf Natur, Ärzte und Patienten, Landwirte und Menschen in Entwicklungsländern", erklärt Christoph Then, Patent-Experte von Greenpeace. "Dieses Patentgesetz darf es nicht geben, egal ob man seiner Vernunft oder seinem Gewissen folgt. Wir erwarten, dass die Abgeordneten des Bundestages das erkennen."
Die Zunahme von Gen-Patenten führt für Ärzte und Patienten inzwischen zu erheblichen Nachteilen. So stoppten Labors viele diagnostische Tests oder gar die Entwicklung von besseren Diagnoseverfahren, weil Firmen die Rechte an den benötigten Genen besitzen und überhöhte Lizenzgebühren verlangen.
Die Analyse von Greenpeace zeigt das Ausmaß der Patentwelle an: Im Jahr 2001 stieg die Zahl der Anträge am Europäischen Patentamt in München um 4.600 auf jetzt insgesamt fast 30.000. Die zehn von Greenpeace vorgestellten Fälle reichen von menschlichen Organen bis zu geklonten Tigern. Mit Anträgen wie auf Gene aus Kakaopflanzen sind auch Fälle von Biopiraterie darunter, in denen sich Konzerne aus Industrieländern die Rechte sichern an Genen oder Pflanzen aus Entwicklungsländern, ohne die Menschen vor Ort zu beteiligen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei ein Patentantrag aus Deutschland: Hier will ein Forscher ein Verfahren zur Herstellung menschlicher Organe wie "linkes Bein", "rechtes Auge", "Mund" patentieren lassen. Die Anmeldung erscheint zwar technisch nicht realisierbar. Juristisch ist die Patentanmeldung aber nicht zu beanstanden: Nach EU-Richtlinie und dem geplanten deutschen Patentgesetz dürfen "Teile des menschlichen Körpers" wie industrielle Ware patentiert werden.
Achtung Redaktionen: Rückfragen bitte an Christoph Then (0171-8780 832), und Pressesprecher Michael Hopf, (0171-8780 835), sowie Bernd Nilles (Misereor, 0160-9784 8512) und Hans-Jörg Freese (Pressestelle der deutschen Ärzteschaft, 030-30889830). (Prof. Martin Heisenberg, 0931-8884450). Internet: www.greenpeace.de/gentechnik
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