BLOGPOST Karriere 4.0: Wie Jobsharing und Co-Leadership funktionieren
Flexible Arbeitszeiten, Home Office und Teilzeit: Das wünschen sich viele Arbeitnehmer. Nicht nur bei den Millenials steht die Work-Life-Balance ganz hoch im Kurs. Viele Unternehmen haben das bereits erkannt. Jedenfalls in der Theorie. Bei der praktischen Umsetzung hapert es allerdings noch häufig. Das sagt Jana Tepe, Mitgründerin und Geschäftsführerin von Tandemploy. In TREIBSTOFF erklärt sie die Gründe und zeigt auf, wie es anders gehen kann. Jobsharing ist dabei eine mögliche Alternative.
TREIBSTOFF: Wie beurteilen Sie die weitläufige Meinung, dass Kinder und Karriere beziehungsweise Teilzeit und Karriere sich immer noch in den meisten Unternehmen ausschließen?
TEPE: In vielen Unternehmen ist das tatsächlich immer noch schwierig zu vereinbaren, und die Wahrnehmung geht hier auch weit auseinander. Während sich vier von fünf Unternehmen bereits als flexibel einordnen, sagen aber laut des Ravensburger Elternsurvey 97 Prozent der jungen Eltern, dass sie sich mehr Flexibilität von ihrem Arbeitgeber wünschen würden. Natürlich tut sich aber auch viel. Die Notwendigkeit, flexible Arbeitsformen anzubieten und diese nicht zu einem Ausschlusskriterium für die Karriere werden zu lassen, ist mittlerweile wirklich jedem Unternehmen bewusst. Oft hapert es aber an der Umsetzung und den klassischen, hierarchischen Strukturen.
TREIBSTOFF: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass trotz dieses Bewusstseins von Unternehmensseite immer noch selten Karriere in Teilzeit möglich ist?
TEPE: Fast alle Unternehmen sind noch nach dem alten System organisiert, mit klaren Hierarchiestrukturen, 40-Stunden-Wochen und Präsenzkultur - auch wenn die wenigsten sich dies explizit auf die Fahne schreiben würden. Diese alten Systeme stoßen aber in heutiger Zeit sehr stark an ihre Grenzen. Viele Annahmen haben wir viel zu lange nicht mehr hinterfragt. Warum zum Beispiel gehen wir davon aus, dass jeder Job automatisch am besten in 40 Stunden die Woche passt? Es gibt Aufgaben, die sich wunderbar in 30 Stunden erledigen lassen und wiederum andere Positionen, die eher 60 bis 70 Stunden pro Woche fordern. Hier wäre dann sicher eine Teambesetzung sinnvoller.
Neue Arbeitsformen in alte Muster zu pressen ist schwierig. Sobald Unternehmen in Aufgaben, Bereichen und Budgets denken, so wie wir das zum Beispiel in unserem Team tun, wird es wesentlich einfacher. Wir fragen einfach jeden Bewerber nach seiner idealen Wochenstundenzahl - und versuchen Lösungen zu finden, damit wir genau diese realisieren können. Bisher hat das immer geklappt. Falls wir mehr Kapazitäten benötigen, lösen wir das durch Jobsharing-Konstellationen oder eine Teamzusammenstellung, die sich einfach gut ergänzt. Unsere Marketingleiterin ist gerade nach drei Monaten Elternzeit mit 15 Stunden wiedergekommen, und stockt nun sukzessive auf. Hätte ich auf sie verzichten wollen, weil sie nicht mit 40 Stunden wiederkommt? Sicher nicht!
TREIBSTOFF: Ihr Unternehmen will dabei helfen, Arbeitszeitmodelle zu flexibilisieren. Wie funktioniert "Job-Sharing" von Tandemploy konkret?
TEPE: Unsere ursprüngliche Gründungsidee - die Jobsharing-Plattform Tandemploy.com - bringt Menschen zusammen, die sich dann gemeinsam, also als Tandem, auf typische Vollzeitstellen bewerben. Zu zweit, als Team, mit doppelten Ideen, Sichtweisen, Potentialen und Kompetenzen. Die Plattform existiert nach wie vor sehr erfolgreich und wir haben es geschafft, viel Aufmerksamkeit für dieses wunderbare Arbeitsmodell zu generieren. Mittlerweile gibt es nur noch wenige Personaler und Entscheider, die noch nie davon gehört haben und bei solch einer Bewerbung verblüfft fast vom Stuhl fallen.
Wir selber leben das Modell auch, ich zum Beispiel in der Geschäftsführung von Tandemploy. Und mittlerweile entwickeln wir Software, die Firmen bei dem internen Matching ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hilft. Im geschlossenen Raum finden sich dort Kolleginnen für alle möglichen Varianten sogenannter neuer Arbeit - für Projekte, Mentoring-Konstellationen, Jobrotationen oder Hospitationen innerhalb der Firma oder eben für Jobsharing- oder Co-Leadership-Modelle. Denn Jobsharing ist natürlich nur ein Mosaikbaustein im ganzen Thema "neues, anderes Arbeiten".
TREIBSTOFF: Wo sind die Fallstricke bei einem Job-Sharing-Modell?
TEPE: Die Fallsstricke sind überwiegend in den Köpfen. Jobsharing funktioniert dann, wenn Offenheit und Wille da sind, und wenn man gegenseitige Erwartungen an das Modell klar kommuniziert. Wichtig ist, dass der Vorgesetzte das Jobsharing akzeptiert und die Chemie im Tandem stimmt. Hier geht es natürlich auch um weichere Faktoren wie die Arbeits- oder Kommunikationsweise, die wir in unserem Matching abgleichen.
TREIBSTOFF: Unter welchen Voraussetzungen kann Führung in Teilzeit funktionieren?
TEPE: Führung in Teilzeit wird immer dann schwierig, wenn eine Führungsaufgabe in ihrer Fülle eigentlich nicht mit reduzierten Stunden machbar ist. Dann existiert die Teilzeit vielleicht auf dem Papier und Bankkonto - aber nicht in der Stundenbilanz am Ende der Woche. Wenn Führungsaufgaben 60 oder 70 Stunden die Woche erfordern, oder vielleicht auch "nur" 50, ergibt es definitiv mehr Sinn, diese mit einem Team zu besetzen. Co-Leadership ist hier ein tolles Modell!
TREIBSTOFF: Was muss in Unternehmen passieren, dass nicht nur theoretisch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben möglich ist? Denn betrachtet man die hochqualifizierten, offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt, werden sie zu 99 Prozent immer noch als Vollzeitstellen ausgeschrieben.
TEPE: Unternehmen müssen anfangen, ihre Silostrukturen zu öffnen. Und sich von der Vorstellung der 40-Stunden-Woche als Nonplusultra lösen. Dann ergeben sich auch für sie viel mehr Möglichkeiten, sie können Kapazitäten besser planen und reduzieren ihre Risiken deutlich. Warum? Weil Wissen in Teams besser verzahnt und geteilt wird.
Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF:
https://www.newsaktuell.de/academy/jobsharing-interview-jana-tepe/
Was ist TREIBSTOFF?
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