Nicolas Berggruen sieht Europa als parlamentarische Demokratie/ Berggruen in seinem ersten Fernsehgespräch über seine Rolle als Finanzinvestor, die Europa-Krise und sein Leben als Weltenbummler
Mainz (ots)
Montag, 31. Oktober 2011, 22.25 Uhr
Erstausstrahlung
In seinem ersten ausführlichen Gespräch im deutschsprachigen Fernsehen ist Nicolas Berggruen zu Gast in der 3sat-Sendung "Vis-à-vis" mit Frank A. Meyer und äußert sich außer zur Karstadt-Rettung und seiner Auffassung von Wirtschaftsengagement zur Europa-Krise und zu seinem ungebundenen Hotel-Leben.
Berggruen betont, dass er selbst nur in Projekte investiere, die er verstehe und dass er bei seinen Investitionen langfristig denke: "Wenn ich in eine Gesellschaft investiere oder wenn ich eine Gesellschaft übernehme, denke ich immer, dass ich mit dieser Gesellschaft ewig, mein Leben lang, verbunden sein werde. (...) Wenn ich so denke, dann denke ich an die Gesundheit der Gesellschaft." "Ich habe gesehen, dass Karstadt fast größer als der Name selbst ist (...) und ich habe auch gesehen, wie wichtig es ist, dass es weitergeht und dass man Karstadt retten sollte", erklärt der Investor. Ob bei der Karstadt-Übernahme eine Rolle gespielt habe, dass es sich um jüdisches Erbe handele? "Karstadt ist ein Teil Deutschlands und Deutschland ist jetzt seit zwei Generationen vom Weltkrieg entfernt. Und das ist jetzt glücklicherweise nicht mehr ein Thema", so Berggruen.
Ein Thema ist aber die Europakrise, die keine finanzielle, sondern eine politische und eine strukturelle sei. Die verschiedenen Leader in Europa würden sich um Lösungen bemühen, aber niemand fühle sich für Europa verantwortlich, sondern für deren Länder oder Parlamente, die sie gewählt hatten. So fordert Berggruen nachdrücklich: "Die Parlamentswahlen müssten in Europa die gleiche Bedeutung haben wie die nationalen Wahlen, sonst wird es nie funktionieren."
Und warum er sich zu einem Leben als Weltenbummler entschieden habe? "Ich bin überall zu Hause. Ich bin zu Hause, wo ich etwas tue. Ich bin mehr interessiert an den Aktivitäten, am Tun als an etwas Statischem. (...) Es gibt so viele Sachen, die Zeit nehmen, die Energie nehmen und mich interessieren. (...) Die Sachen, die materiell sind, sind für mich weniger interessant. Man kann nicht alles machen, dann muss man sich auf die Sachen konzentrieren, in die man Zeit und Energie investieren will."
Nicolas Berggruen, Kosmopolit, Kunstsammler, kreativer Investor mit sozialem Engagement, meidet die Öffentlichkeit, und es wird gesagt, dass ihm auch die wenigen Statements, die er zur Karstadtübernahme geben musste, nicht besonders behagten. Aufgewachsen ist der Sohn des Kunstsammlers und Mäzens Heinz Berggruen und der Schauspielerin Bettina Berggruen, geborene Moissi, in Paris. Sein Vater emigrierte in den 1930er Jahren aus Berlin in die USA und kehrte 1947 zurück nach Europa. In New York studierte Nicolas Berggruen Finanz- und Betriebswirtschaft, schloss eine Ausbildung zum Immobilieninvestor an und gründete 1984 seine eigene Investmentfirma, mit der er weltweit über 100 langfristige Investitionen in Unternehmen tätigte. Vor zwei Jahren gründete er mit dem "Nicolas Berggruen Institute" einen unparteiischen politischen Think Tank, um weltweit demokratische Regierungsformen reformieren zu helfen.
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