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Lehmann für "Phase rascher Entscheidungen" in der Politik
Kock: Habe Furcht, dass die Gesellschaft alles Religiöse aus ihrer Mitte verbannt

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal
Karl Lehmann, hat eine rasche Entscheidung bei den geplanten
Sozialreformen angeregt. In der PHOENIX-Sendung "Politikgespräche auf
dem Petersberg" sagte Lehmann: "Der Staat hat so viele Anteile an der
Daseinsfürsorge übernommen, dass es jetzt natürlich außerordentlich
schwer ist, da auch nur geringere Teile von zurückzufahren." Lehmann
beklagte die aktuelle Unübersichtlichkeit und den raschen Wechsel von
Konzepten in der Politik, insbesondere bei den Sozialreformen. "Das
macht die Menschen mehr irre und deswegen müsste jetzt eigentlich
eine gediegene Phase rascher Entscheidungen kommen", sagte der
Kardinal. Im Hinblick auf die erwarteten Einsparungen für den
Haushalt durch die geplanten Sozialreformen warnte der ehemalige EKD-
Ratsvorsitzende, Manfred Kock, in derselben Sendung vor zu großen
Erwartungen: "Wir dürfen doch nicht meinen, dass dadurch, dass bei
den Schwachen oder bei dem sozialen System insgesamt gekürzt wird,
automatisch schon die Sache finanzierbar wird." Kardinal Lehmann
forderte eine Festlegung auf lange Sicht: "Es wäre schlimm, wenn eine
Einigung nur für eine kurze Zeit möglich wäre." Er sehe eine Gefahr
für die Demokratie, wenn diese Fragen nur im Rahmen von vier Jahren
oder noch kürzer gelöst würden. Zudem sei es "zusätzlich noch
erschwerend, dass es so viele Arbeitsgruppen und Kommissionen neben
dem Parlament gibt". Dadurch werde verwischt, wo die eigentlichen
Entscheidungen fallen. "Ich finde, es ist eine Seuche geworden, dass
man eigentlich für diese großen Vorhaben sofort wieder auf den
Boulevard rauf muss", so Lehmann weiter. Der ehemalige
EKD-Ratsvorsitzende Kock erklärte, beide Kirchen hätten sich in den
vergangenen sechs Jahren sehr aktuell in politischen Fragen geäußert.
"Ich hoffe, dass auch immer sichtbar geworden ist, dass wir nicht die
Politik machen wollen, sondern dass wir Kriterien und Bereiche
nennen, um Politik zu ermöglichen", so Kock. "Das dürfen wir den
Politikern nicht abnehmen." Auf die Frage, ob in Deutschland die
gegenseitige Toleranz zwischen Christen und Muslimen abgenommen habe,
sagte Lehmann: "Ich habe den Eindruck, dass wir in Deutschland, also
auf katholischer Seite zumindest, da doch - verglichen mit der
Weltkirche - eher ein Entwicklungsland sind. Wir haben diesen Dialog
mit den Muslimen eigentlich sehr spärlich bisher unternommen." Dies
hänge unter anderem mit der Struktur der islamischen Gemeinden
zusammen, auch weil diese in sich sehr autonom seien. "Da ist
wirklich Entwicklung notwendig", sagte Lehmann.
Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Kock nannte das so genannte
Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes "sehr bedenklich". Das
Verfassungsgericht habe den Schwarzen Peter erst einmal wieder
zurückgegeben. "Wir werden, wenn wir an dieser Stelle keine Toleranz
gegenüber den Kopftuch-Tragenden haben, eine Zurückdrängung überhaupt
jeder religiösen Symbolik in der Öffentlichkeit haben müssen",
fürchtete Kock. "Die Frage ist, ob wir das wollen können, ob wir
eigentlich eine religiöse Freiheit sozusagen nur laizistisch
verstehen können." Er sei "an dieser Stelle jedenfalls toleranter als
mancher meiner Kollegen, weil ich die Furcht habe, dass hier eine
Gesellschaft im Grunde mit solchen Symbolen bei Muslimen plötzlich
alles Religiöse aus ihrer Mitte verbannen wird und das könne wir doch
eigentlich nicht wollen."
Phoenix zeigt die Sendung "Politikgespräche auf dem Petersberg" am
Samstag, 6. Dezember 2003, um 22.15 Uhr. Wiederholung: Sonntag, 7.
Dezember 2003, um 17 Uhr.
Fotos unter: www.ard-foto.de
ots-Originaltext: Phoenix
Digitale Pressemappe: 
http://www.presseportal.de/story.htx?firmaid=6511

Kontakt:

Ingo Firley
PHOENIX-Kommunikation
Telefon: 0228 / 9584 195
Fax: 0228 / 9584 198

Original content of: PHOENIX, transmitted by news aktuell

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