Neue Westfälische: Zum Tod von Reinhard Mohn Ein Unternehmer-Vorbild THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Es gibt wenige Menschen in der Geschichte Deutschlands, die so sehr mit diesem Land, seinen Bürgern und seiner Ideengeschichte verbunden sind, wie Reinhard Mohn. 34 Jahre stand er dem Bertelsmann-Konzern selbst vor, weit über 60 Jahre - bis zu seinem Tod am Wochenende - prägte er Gesellschaft und Wirtschaft unseres Landes. An Reinhard Mohns Leben und an seiner Wirkungsgeschichte lässt sich bis heute und für viele Jahre in die Zukunft ablesen, was Deutschland als Kulturnation ausmacht: Sprache, Tradition, ein gemeinsamer Wertekanon. Es sind diese Säulen einer stabilen Bundesrepublik, die der Gütersloher Unternehmer in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt hat. Reinhard Mohns Leben steht beispielgebend für viele Nachkriegskarrieren, die aus den Trümmern der nationalsozialistischen Barbarei aufstiegen. Er übernahm 1947 die Leitung des familieneigenen Druck- und Verlagshauses. Es gelang ihm ab 1950 mit einer klugen Strategie, das Lese-Abonnement zu einem identitätsbildenden Geschäftsmodell auszuarbeiten. Es führt bis heute den Menschen vor Augen, dass das Lesen die wichtigste Kulturtechnik der Menschen ist, die als Voraussetzung für Bildung erkannt werden muss. Über das Lesen eröffnete Reinhard Mohn seinen Kunden die Chance zum Aufstieg. Eine Verantwortung, die der Unternehmer als Auftrag seines Lebens begriff. Konsequent ging Reinhard Mohn diesen Erfolgsweg, baute eine Lexikonredaktion auf, gründete eine Schallplattenfirma und beteiligte sich auch an großen erfolgreichen Zeitschriftenverlagen in Deutschland, Europa, den USA sowie an dem Fernsehsender RTL. Es folgten weitere Expansionsschritte, die Bertelsmann schließlich bis an die Weltspitze der Kommunikationsunternehmen aufsteigen ließ. Doch dieser Teil der Erfolgsgeschichte erzählt nur das halbe Leben Reinhard Mohns. Sein Name steht wie kaum ein zweiter auch für den Versuch, den nach Gewinn strebenden Kapitalismus mit der Sozialverpflichtung des Eigentums zu versöhnen. Er sorgte für eine bis dahin nicht gekannte Unternehmenskultur, die seine Ideen von Führung und Partnerschaftlichkeit sowie die Selbstverwirklichung von Mitarbeitern als Unternehmensziel aufnahmen. Ein System der Mitarbeiterbeteiligung gehörte aus seiner Sicht ebenso dazu, wie das gemeinnützige Wirken, das er und die von ihm gegründete Bertelsmann-Stiftung bis heute garantieren. Bis 1998 wirkte er selbst an der Spitze. Heute leitet seine Frau Liz die Geschicke der Stiftung. Im vergangenen Jahr erst veröffentlichte Reinhard Mohn ein Buch: "Von der Welt lernen. Erfolg durch Menschlichkeit und Freiheit". Es gilt als eine Art Vermächtnis des stillen Mannes aus Gütersloh, in dem er seine Tochter Brigitte zu seiner auch im Geist verwandten Nachfolgerin erklärt. Mit Reinhard Mohns Tod verliert Deutschland eine seiner herausragendsten Unternehmerpersönlichkeiten, die sich zuletzt sehr ins Private zurückgezogen hatte. Reinhard Mohn war ein Mann voller Ideen, ein Stifter. Ein Mann auch, der sich Gehör verschaffen konnte und Gehör fand bis in die Spitzen nicht nur des deutschen Staates. Es war Bundespräsident Horst Köhler, der im vergangenen Jahr den Deutschen ins Stammbuch schrieb: "Kulturlosigkeit öffnet die Tür zur Barbarei". Reinhard Mohns Wirken hat erheblich dazu beigetragen, dass die Kulturnation Deutschland nach dem Krieg diese Tür bis heute verschlossen halten konnte.
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