Neue Westfälische: Union und FDP uneins über Vertriebenenstiftung In der Sackgasse THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Der geneigte Beobachter ist ein wenig überrascht, mit welcher Geschwindigkeit sich die neue Koalition aus Union und FDP in politische Sackgassen manövriert. Dass nun der Streit um das Zentrum gegen Vertreibung und die Besetzung des Stiftungsrates eskaliert, spricht dabei nicht für die Reife der neuen politischen Mehrheit in Deutschland. Worum geht es? Tatsache ist, dass es in den osteuropäischen Nachbarländern die schlimmsten der nationalsozialistischen Gräueltaten gegeben hat. Gleichzeitig ist akzeptiert, dass es nach dem Zusammenbruch des Hitler-Regimes großes Unrecht gegen deutsche Flüchtlinge gegeben hat. Dass daraus eine Pflicht zur Erinnerung erwächst, ist unbestritten. Worüber streiten dann also die Protagonisten bei der Besetzung des Stiftungsrates? Es geht - so wird Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach zitiert - um die Sache. Zugleich allerdings verweigert Steinbach bislang jedes Zugeständnis bei der Personalauswahl. Sie selbst - und nur sie selbst - will in den Stiftungsrat. Das ist das Gegenteil von Souveränität und politischer Abrüstung. Steinbach hat im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt. Selbst wenn sie heute argumentiert, sie habe dies nur getan, weil sie zeigen wollte, dass auch alle ungelösten Vertriebenenfragen geklärt werden müssten: Gerade ihre damalige Beharrlichkeit zeigt, dass sie - anders als Alt-Kanzler Helmut Kohl übrigens - den entscheidenden Schritt zur Versöhnung nicht gehen wollte. Gerade ihre Hartnäckigkeit in der Personalfrage belegt fehlenden Willen zur Versöhnung. Es geht Steinbach ums Rechthaben. Das disqualifiziert sie für diesen Job. Da hat der FDP-Außenminister völlig Recht. Auch wenn Guido Westerwelle diese Haltung nicht immer mit solchem Nachdruck vertreten hat und sich das ungute Gefühl einstellt, er tue dies jetzt nur aus Profilierungs- und Machtkalkül: Es ist gut, dass der deutsche Außenminister dies in Deutschland und in der Welt vertritt. Es verrät etwas über den immer noch vorhandenen nationalen Ungeist in der Union, wenn ihr stellvertretender Fraktionschef Wolfgang Bosbach Westerwelle deshalb vorhält, er betreibe polnische und keine deutsche Außenpolitik. Will Bosbach damit andeuten, dass Westerwelle deutsche Interessen verrät, statt sie zu vertreten, dass er also der eigenen Nation in den Rücken fällt? Das wäre sehr nahe an einer neuen Dolchstoß-Legende und ist schon deshalb ungehörig. Abgesehen davon, dass es berechtigten Zweifel daran gibt, ob die Nominierung Steinbachs im deutschen Interesse ist. Bosbach sollte das möglichst schnell wieder vom Tisch nehmen, auch um Bundeskanzlerin Merkel nicht noch weiter in politische Schwierigkeiten zu bringen. Deutschland steht vor einem sehr schwierigen Winter und einem neuen Jahr mit steigender Arbeitslosigkeit, stagnierender Wirtschaft und sinkendem Volkseinkommen. Merkel pocht zurecht und einigermaßen erfolgreich auf internationale Lösungen für die Krise. Einen Streit über den Rückfall der deutschen Politik in schlichten Nationalismus ist da wenig hilfreich. Man hofft darauf, dass die Kanzlerin den unnötigen Konflikt um und mit Erika Steinbach möglichst bald abräumt.
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