Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Deutsche Kinder sind eine umschwärmte Zielgruppe Reiche Kinder, arme Kinder WOLFGANG MULKE
Bielefeld (ots)
Viele Gewohnheiten, die ein Leben lang erhalten bleiben, entstehen in den ersten Lebensjahren. Das gilt im Guten wie im Schlechten. Wer früh zum Buch oder zur Literatur greift oder mit dem Internet schnell und geschickt umzugehen versteht, erwirbt sich eine solide Basis für das Lernen. Umgekehrt erzeugen die Marketingstrategen der Industrie frühzeitig und gezielt Vorlieben für die Produkte bestimmter Marken, Geschmack beim Essen oder das Freizeitverhalten. Und die Kinder sind ein wichtiger Faktor für den Konsum, mit einem Milliardenbetrag auf der hohen Kante und Mitspracherechten in der Familie bei wichtigen Kaufentscheidungen. Den Kindern geht es auf den ersten Blick recht gut. Das Taschengeld und finanzielle Zuwendungen bewegen sich auf Rekordniveau. Doch aus den Zahlen lässt sich auch eine andere Wahrheit erahnen. Jedes fünfte Kind erhält keinen Euro extra, weder von Verwandten noch für gute Leistungen in der Schule. Auch bei der Nutzung von Computern bleibt ein Fünftel außen vor. Diese Anteile entsprechen in etwa auch dem der Geringverdienerhaushalte. Das lässt die Vermutung zu, dass die soziale Spaltung schon im Kindesalter stark ausgeprägt ist. Ein Trend zu mehr armen und mehr reichen Kindern kann in anderen Untersuchungen nachgelesen werden. Die Bundesregierung wollte dem mit dem Bildungspaket entgegenwirken. Die zehn Euro im Monat für Sportvereine oder Musikunterricht sind angesichts der großen Ausstattungsunterschiede der Familien aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Durchschnittskind hat das Dreifache davon allein für den Konsum von Süßigkeiten oder Zeitschriften zur Verfügung. Von Chancengleichheit kann also schon zum Start des Lebens nicht die Rede sein.
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