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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Der Syrien-Konflikt spaltet den alten Westen Diplomatisches Desaster THOMAS SEIM

Bielefeld (ots)

Mit einer Mischung aus Entsetzen und Fassungslosigkeit schaut man derzeit auf das diplomatische Desaster, das der Westen in der Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg in Syrien verursacht. Ohne Not hat US-Präsident Obama sich in eine Verliererposition manövriert. Seine Formulierung von der "roten Linie", die mit einem Einsatz von chemischen Waffen überschritten werde, hat ihn in die Sackgasse des Ultimatums geführt. Nicht mehr Obama ist jetzt Herr der Situation, sondern der verbrecherische Präsident und Menschenrechtsmissachter Assad. Indem Assad Giftgas einsetzt, zwingt er Obama zu einer Reaktion: Entweder der US-Präsident holt zum Militärschlag aus, oder er macht sich vor der Weltöffentlichkeit zum hilflosen Pappkameraden. Das ist so mit die schlimmste Situation, in die das US-Staatsoberhaupt sich und die Verbündeten manövrieren konnte. Das britische Unterhaus hat mit seiner Weigerung, sich an einem solchen Schlag zu beteiligen, dem eigenen Premierminister die Gefolgschaft versagt. Die französische Regierung will an der Seite der USA notfalls auch mit Militär in den Koflikt ziehen. Die Bundesrepublik ist drei Wochen vor der Wahl de facto handlungsunfähig, weil die Regierung sich nicht mehr klar positionieren will. So zerschießt man ein Bündnis. Zuletzt hat das der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit seiner Formulierung vom "alten" und "neuen" Europa vor dem Irak-Krieg geschafft. Nun eifert ausgerechnet der Demokrat Obama seinem gescholtenen Amtsvorgänger Bush nach, der mit der Lüge von chemischen Waffen in Saddams Besitz in den Krieg zog und die Region ins Unglück stürzte, aus dem sie nicht herausfindet. Macht das was mit dem deutschen Wahlkampf? Bemerkenswert ist immerhin, wie schnell Bundesaußenminister Guido Westerwelle gestern betonte, dass es eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag gegen Syrien nicht geben werde. Ebenfalls alarmiert scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sein, die auf den G-20-Gipfel der Industrie- und Schwellenländer nächste Woche setzt. Beide ahnen, dass das Thema Syrien dem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück ein bislang fehlendes Mobilisierungsthema liefern könnte. In der Tat ist Steinbrücks Vorschlag eines vierköpfigen Syrien-Gipfels mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Mun, US-Präsident Obama, Russlands Präsident Putin und einem Spitzenvertreter der Arabischen Liga bedenkenswert. So könnte man die Diplomatie zurück ins Rennen bringen und zunächst eine Waffenruhe ermöglichen. Mit einer Rückkehr zur Diplomatie wäre schon viel gewonnen. Jedenfalls mehr als mit einem kopflosen Bombardement als Strafmaßnahme gegen Syrien, bei dem man fürchten muss, dass darunter weder das Regime noch dessen ebenfalls zweifelhafte Gegner, sondern nur die Menschen leiden würden. Ob Obama nach dem Streit mit Putin wegen des Ex-Agenten Snowden dazu bereit ist, ist allerdings eher zweifelhaft. Man muss trotzdem darauf hoffen.

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