Corona-Ausstieg¶ Neue Argumente wägen¶ Carsten Heil
Bielefeld (ots)
Fast vier Wochen Volks-Quarantäne sind genug. Jetzt muss intensiv an einer Exit-Strategie gearbeitet werden. Das ist nicht der Ruf nach sofortigem Freigang für alle, aber nach einer ehrlichen Debatte, die keine Denkverbote kennen darf. Die NRW-Landesregierung hat mit ihrem von Ministerpräsident Armin Laschet eingesetzten Expertenrat die richtige Vorlage geliefert. Auch wenn der die schmerzhaften Punkte für den Ausweg in seinem Papier nur sehr vorsichtig angesprochen hat. Aber selbst diese Vorsicht ist gut. Er hält die Wahrheit wie einen Mantel hin, in den die Menschen hineinschlüpfen können, und hat sie ihnen nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren gehauen. Das ist gut. Denn die Seelen vieler Menschen sind wund. Der weinende Vater ist nur schwer zu ertragen, der seine demenzkranke Frau selbst am 60. Hochzeitstag nicht sehen kann. Er ist nur zu tragen. Trotzdem müssen die Risikogruppen weiter abgeschottet bleiben. Um ihrer selbst willen. Gleichzeitig muss das Wirtschaftsleben wieder in Gang kommen, um zu verhindern, dass das Virus noch mehr Schäden anrichtet als "nur" gesundheitliche. Überreaktion kann jedoch genau dazu führen. So haben nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA viele Menschen das Fliegen aus Angst vermieden. Sie sind lieber mit dem Auto gefahren. Mit dem Ergebnis, dass in den darauffolgenden Wochen 1.600 Menschen mehr im Straßenverkehr ums Leben gekommen sind als im selben Vorjahreszeitraum. In den drei zum Absturz gebrachen Flugzeugen kamen weniger als die Hälfte dieser Zahl um. Anderes gesagt: Es ist niemandem gedient, wenn wir die komplette Wirtschaft weiter lahm legen und Hunderttausende in finanzielle Not stürzen. Deshalb ist jetzt die Zeit der Experten aus vielen Wissenschaften und Fachrichtungen. Beim Shutdown waren die Virologen tonangebend, um das Schlimmste zu verhindern. Jetzt müssen auch Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen, Psychologen, Theologen und andere gehört werden. Ministerpräsident Laschet hat recht, wenn er verlangt, dass die Menschen jetzt wieder eine Perspektive brauchen. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat recht, wenn er drauf hinweist, dass es weiterhin auf jeden Einzelnen ankommt. Und: Die Gefahr ist nicht vorüber.
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