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Albert-Schweitzer-Verband der Familienwerke und Kinderdörfer

Eine bemerkenswerte Frau: Die Gründerin des ersten Albert-Schweitzer-Kinderdorfes wurde vor 140 Jahren geboren

Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März möchten wir auf eine bemerkenswerte Frau aufmerksam machen, ohne die es die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke als wichtige Akteure der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland nicht gäbe: Margarete Gutöhrlein (9. August 1883 - 15. Juni 1958), Gründerin des ersten Albert-Schweitzer-Kinderdorfes in Deutschland.

„Ich will und werde durch unser Kinderdorf beweisen, dass die Menschen in Frieden miteinander leben können, ob sie evangelisch oder katholisch sind oder welcher Rasse sie auch angehören mögen“, schrieb Margarete Gutöhrlein im Mai 1958 an Albert Schweitzer. Im Jahr zuvor hatte die Holocaust-Überlebende die Gründung des ersten Kinderdorfvereins in Deutschland initiiert, der den Namen des Friedensnobelpreisträgers trug. Ihre Vision: Ein Ort, an dem – anders als in den bereits existierenden SOS-Kinderdörfern – Kinder aller Konfessionen Platz finden würden.

„In Frieden miteinander leben“ – nach zwei Weltkriegen und den Schrecken des Nationalsozialismus sollte das erste Albert-Schweitzer-Kinderdorf im baden-württembergischen Waldenburg ein lebendiges Beispiel dafür sein. Die bewegte Biografie der Kinderdorf-Gründerin ist derweil ein lebendiges Beispiel für eine mutige „Frau, die ihren Anspruch auf ein eigenes, selbstbestimmtes Leben offensiv verfolgt hat“ – und damit „so gar nicht dem konservativ-traditionellen Frauenbild ihrer Zeit“ entsprach, wie die Autor*innen Elke Däuber und Doris Müller in Eine Frau, die sich was traute – Das aktive und außergewöhnliche Leben der Margarete Gutöhrlein schreiben.

Margarete Pauline Gutöhrlein wird 1883 als Tochter jüdischer Eltern in Berlin geboren. Sie besucht zunächst eine private Schule, dann ein Mädchengymnasium und geht mit sechzehn Jahren nach Schottland, um in einer Missionspension ein englisches Sprachexamen abzulegen.

Mit 25 Jahren heiratet sie in Berlin-Charlottenburg den Zahnarzt Dr. Horst Wilhelm Knospe. Das Ehepaar zieht nach Königsberg, wo die drei Töchter Ines, Eleonore und Karla auf die Welt kommen. Margarete tritt wie viele Juden in jener Zeit vom israelitischen zum evangelischen Glauben über und lässt sich am 31. Dezember 1910 in Königsberg taufen.

Die älteste Tochter Ines ist erst drei Jahre alt, als Margarete mit ihren Kindern wieder nach Berlin zieht, wo sie bei Max Reinhardt am Deutschen Theater Schauspiel lernt. Vier Jahre darauf lässt sie sich vom Vater ihrer Töchter scheiden. Sie macht eine Ausbildung zur examinierten Krankenschwester und übt diesen Beruf während des Ersten Weltkrieges aus. 1917 geht sie eine zweite Ehe mit dem Polizeikommissar Ernst Hugo Müser ein, doch auch diese wird vier Jahre später wieder geschieden. Am 16. April 1921, fünf Tage nach ihrer Scheidung, schließt sie in Berlin-Wilmersdorf ihre dritte und letzte Ehe mit dem Kaufmann Georg Gutöhrlein, dessen Familie in Schwäbisch Hall lebt.

Während die älteste Tochter 1927 den in Berlin lebenden Schriftsteller Franz Wolfgang Koebner heiratet, beginnen deren Schwestern unter dem Künstlernamen „Sisters G.“ eine internationale Varieté-Karriere. Als Managerin der Tanzgruppe schließt Margarete Gutöhrlein die Verträge ab und begleitet ihre Töchter auf zahlreichen Tourneen im In- und Ausland.

Als 1933 in Deutschland Hitler und die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, touren die „Sisters G.“ gerade durch die Vereinigten Staaten. Die politische Entwicklung in ihrem Heimatland erfüllt Margarete Gutöhrlein mit verzweifelter Sorge. Sie erwägt, die deutsche Staatsbürgerschaft aufzugeben und nach Amerika auszuwandern – und kehrt dann doch nach Deutschland zurück. Vorerst ist sie noch vor Verfolgung geschützt, da sie in „privilegierter Mischehe“ mit einem angesehenen Haller Bürger lebt. Doch auch für sie wird die Lage immer gefährlicher.

Gegen Kriegsende findet sie auf dem hoch über dem Kochertal liegenden Schloss Stetten ein sicheres Versteck für sich selbst, ihre Tochter Ines und Enkelin Angelika. Sie bleibt bis zum Ende des Krieges auf Schloss Stetten.

Zurück in Schwäbisch Hall, wird Margarete Gutöhrlein, 1945 von der amerikanischen Militärregierung zur Leiterin des Roten Kreuzes in Hall bestellt. Unter anderem sorgt sie, die Zeitzeugen als tatkräftig, durchsetzungsfähig und großzügig beschreiben, für die Unterbringung und Pflege entlassener Soldaten und zahlreicher Flüchtlinge, darunter viele Waisen.

Ihrem letzten Herzensprojekt – der Gründung eines Kinderdorfes – verschreibt sie sich 1956 im Alter von 73 Jahren. Selbst beenden kann sie es nicht mehr: Im Juni 1958 erliegt sie einem Herzinfarkt. Zuvor hat sie jedoch ihrem Ehemann das Versprechen abgenommen, nach ihrem Tod weiterzuführen, was sie begonnen hat. Er hält sein Versprechen. Und Margarete Gutöhrleins Vision nimmt Gestalt an: 1959 startet der Bau der ersten drei Kinderdorf-Häuser. Ab September 1960 finden Jungen und Mädchen unterschiedlicher Konfessionen im Albert-Schweitzer-Kinderdorf Waldenburg eine neue Heimat.

Heute sind die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke in zehn Bundesländern und rund 500 Einrichtungen für Kinder und Familien da, die Hilfe suchen und brauchen. Kindern, die aus verschiedenen Gründen nicht zu Hause leben können, geben sie ein Zuhause – liebevoll, beschützt und zuverlässig in Kinderdorffamilien oder familienähnlichen Strukturen. Knapp 2.400 Mitarbeitende bundesweit bieten Hand und Hilfe in Kinderdörfern, Wohngruppen, Schulen, Kitas, Familienzentren, Jugendtreffs, Fachstellen für Kinderschutz, Kliniken, im Frauen- und Kinderschutzhaus und zusätzlich in der Alten- und Behindertenhilfe. Weitere Informationen: www.albert-schweitzer-verband.de

Nicht alle Kinder haben ein sicheres Zuhause. Aber alle haben ein Recht darauf. Deshalb: Helfen Sie uns, Aufmerksamkeit für Kinder und Jugendliche zu schaffen, die auf diese Hilfe angewiesen sind: Wenn Sie in Ihren Medien über die Geschichte und Arbeit der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer berichten möchten, stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung und vermitteln nach Möglichkeit regionale Ansprechpartner*innen. Schreiben Sie uns an kommunikation@albert-schweitzer.de

Hinweis an die Redaktion: Bei Rückfragen wenden Sie sich an Sabrina Banze, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, +49 (030) 20 64 91 86 I sabrina.banze@albert-schweitzer.de

Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und

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