Experten: Viele moderne Mütter verhätscheln ihre Kinder
Nachwuchs dankt es mit wachsender Unlust, sein Leben selbst anzupacken
Hamburg (ots)
Mütter nehmen in Zeiten der Kleinfamilien ihren Kindern zunehmend Dinge ab, die diese schon längst allein können müssten. "Viele Frauen übertreiben es mit der Fürsorge. Sie verwechseln Verhätscheln mit Zuwendung", warnt der Hamburger Psychologe Michael Thiel in der Zeitschrift FÜR SIE. Damit nähmen sie den Kindern die Chance, zu selbständigen Menschen zu werden. In Zeiten unkomplizierter Empfängnisverhütung würden immer mehr Wunschkinder geboren. Außerdem sei beinahe jedes dritte Kind in Deutschland heute ein Einzelkind. Das bedeute eine neue Intensität der Mutter-Kind-Beziehung, weiß die Sozialpsychologin Herrad Schenk. Wurden Kinder früher eher nebenbei groß, sind sie heute der Mittelpunkt der Kleinfamilien. Die Mütter wollten bei ihrem Wunsch-Kind alles richtig machen. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Super-Mutti-Syndrom". Sowohl Berufstätige als auch Frauen, die sich für ihre Kinder im Job "Auszeit " nähmen, neigten dazu. Jede Mutter wolle die Beste sein.
Der Nachwuchs danke es mit wachsender Unlust, sein Leben selbst anzupacken. Dabei lieben es kleine Kinder nach Angaben der Fachleute noch, selbst Aufgaben zu übernehmen. Der amerikanische Psychologe Harris Clemes rät Eltern, mit der Erziehung zur Selbständigkeit früh zu beginnen. "Sobald ein kleines Kind laufen lernt und eine einfache Sprache versteht, kann es dazu ermutigt werden, sein Spielzeug wegzuräumen und den Eltern bei ihren Aufgaben zu helfen", sagt Clemes. Dabei sollte man sich den Nachahmungstrieb zunutze machen. Auch wenn die "Mithilfe" von Zweijährigen zunächst zusätzlich Arbeit machen, langfristig würden beide Seiten von der Selbständigkeit der Kinder profitieren: Die Mütter durch die Entlastung, die Kinder durch Stärke und Selbstbewusstsein. "Bewältigt das Kind die Aufgabe, fühlt es sich als wichtiges Mitglied der Familie. Das macht stolz und selbstbewusst", betont Thiel. Mit Augenmaß für den jeweiligen Entwicklungsstand finden Eltern nach Überzeugung der Fachleute viele Gelegenheiten, ihren Kindern immer mehr Aufgaben zu überlassen, statt sie ihnen abzunehmen.
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