Vergilbtes Grün
Kommentar von Jens Kleindienst zum Koalitionsausschuss
Mainz (ots)
Mehrere Tage lang haben die Spitzen der Ampelkoalition miteinander gerungen. Die konkreten Beschlüsse nach dem Kräftemessen fallen überschaubar aus, viel Kleingedrucktes muss noch aufgeschrieben werden. Und doch haben die vergangenen Tage die Machtbalance innerhalb der Koalition verändert. Für die Grünen ist das Ergebnis geradezu desaströs. Sie laufen Gefahr zu vergilben. Einen einzigen Erfolg haben die Grünen nach Hause getragen: die Ausbau-Milliarden für das Schienennetz, die künftig aus einer verteuerten Lkw-Maut kommen werden. Ein wichtiger Fortschritt, wofür die Koalition ein Lob verdient. Die bessere finanzielle Ausstattung der Schiene haben die Grünen jedoch gleich doppelt bezahlt, zum einen mit dem Abnicken einer offensichtlich eilig zusammenkopierten Liste von Autobahnprojekten, die jetzt auf die planerische Überholspur gesetzt werden. Einige der Projekte mögen notwendig sein. Aber sieht so die versprochene Verkehrswende aus? Und wird diese Ausbauoffensive nicht die überschaubaren Planungskapazitäten binden, die so dringend für die Sanierung der vielen maroden Brücken und die Ertüchtigung der Schiene gebraucht werden? Beim Thema Straßenbau hat sich die FDP jedenfalls auf ganzer Strecke durchgesetzt. Ein mulmiges Gefühl ruft auch die Ankündigung hervor, für wichtige Infrastrukturprojekte den Naturschutz auszuhebeln. Bisher musste zum Beispiel für die Versiegelung von Flächen anderswo Ausgleich geschaffen werden. Jetzt sollen sich Investoren aus dieser Pflicht herauskaufen können. Ist das wirklich nötig für das neue "Deutschland-Tempo", das Bundeskanzler Olaf Scholz so gerne propagiert? Das Schlimmste am Ampel-Deal ist aber die Entkernung des Klimaschutzgesetzes. Dass die selbst ernannte Fortschrittskoalition unter Führung des angeblichen "Klimakanzlers" dem wichtigsten Erbe der Großen Koalition den Zahn zieht, ist ein Hammer. Die einst von der SPD in das Paragrafenwerk hinein verhandelten jährlichen Einsparziele für einzelne Sektoren inklusive Sanktionsgebot waren gerade dabei, ihre Wirkung zu entfalten. Sie setzten den säumigen Bundesverkehrsminister unter Druck, endlich zu liefern. Mit der Aufgabe dieses Prinzips haben SPD und Grünen Volker Wissing vom Haken gelassen - man fragt sich warum? Wo ist der Deal, der das rechtfertigen würde? Zwar hat die Ampel-Runde sich zum Modernisierungszwang beim Heizen bekannt, doch war das längst Beschlusslage. Zudem bleibt man die Antwort schuldig, wie die versprochene soziale Ausgestaltung dieses Umbaus in Millionen deutschen Heizungskellern aussehen soll. Damit ist der nächste Streit so sicher wie das Amen in der Kirche. Bis 2045 werde Deutschland klimaneutral sein, lautet das Versprechen dieser Koalition. Davon haben SPD, Grüne und FDP sich nun ein gutes Stück entfernt.
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