6. Handelsblatt Gesundheitskongress "Health 2002" in Berlin (29. - 30. November 2001)
Berlin (ots)
Krankenkassen - mehr Wettbewerb auch hier
Wettbewerb bei Krankenkassen - dieses Thema bestimmte den Nachmittag des ersten Tages des 6. Handelsblatt-Gesundheitskongresses "Health 2002" in Berlin.
Unter dem Motto "Krankenkassen zwischen Solidarität und Wettbewerb" resümiert Dr. Rainer Daubenbüchel (Präsident Bundesversicherungssamt), dass die bestehenden Strukturen in der gesetzlichen Krankversicherung keinen Anlass zur Hoffnung bieten, durch mehr Wirtschaftlichkeit den erwartenden Finanzbedarf zu senken. Die Reform des Risikostrukturausgleiches werde seiner Ansicht die unterschiedlichen Beitragssätze der Krankenkassen nivellieren und sich nur noch durch rund einen Prozentpunkt unterscheiden.
Das gegenwärtige System sei nicht in der Lage, den Konflikt zu lösen: Gäbe man die Beitragssatz-Stabilität auf, stiegen die Lohnnebenkosten in einem nicht mehr verträglichen Maß, halte man aber an der Stabilität der Beitragssätze fest, seien Rationierungen unvermeidlich. Spielraum zur Kostendämpfung in der GKV sieht Daubenbüchel zum Beispiel im Bereich der Geschäftsstellenpolitik, in Qualität und Versichertenorientierung sowie der Verbesserung der Organisationsstruktur.
Eckehardt Schupeta (stellvertretender Vorsitzender, Deutsche Angestellten-Krankenkasse), hält den Risikostrukturausgleich (RSA) für "notwendig und unverzichtbar", um einen effizienten Kassenwettbewerb zu ermöglichen, obwohl die DAK als "Zahlerkasse" jedes Jahr fast zwei Milliarden Mark in den Finanzausgleich abführe. Kritisch bewertet er jedoch den Gesetzentwurf zur Reform des RSA: die neu gegründeten Kassen profitierten durch hohe Überschüsse und die Versorgerkassen blieben auch nach der Reform - zumindest bis zur Einführung des morbiditätsorientierten RSA im Jahr 2007 - auf ihren hohen Unterdeckungen sitzen.
Mehr Wirtschaftlichkeit für die KKs sähe Schupeta in der Möglichkeit, eigene Verträge mit Ärzten und Krankenhäusern abzuschließen (Einkaufsmodell). Der 1994 eingeleitete Kompromiss von Lahnstein sei aber auf halbem Weg stehen geblieben. So dass als Ergebnis Wettbewerb bei den Kassen bestünde, aber auf der Leistungserbringerseite der Markt weiterhin kartelliert sei. Den Politikern wirft Schupeta vor, bisher wenig Mut in den Verhandlungen mit der gut organisierten Lobby der medizinischen Anbieter gezeigt zu haben.
Schupeta betonte auch, dass Wettbewerb seinen Preis habe, wie ein Blick in die USA zeige: Dort bewege sich der Anteil der Verwaltungskosten in den Krankenversicherungen zwischen 20 und 30 Prozent, während hier sechs bis acht Prozent ausreichten.
Die Festlegung von Standards zur Qualitätssicherung, wie zum Beispiel Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen und einheitliche Dokumentation der ärztlichen Leistung, hält Schupeta insbesondere unter dem Aspekt der freien Arztwahl für unerlässlich. Erst Transparenz ermögliche dem Patienten einen wirklichen Vergleich. Schupeta hält die Einführung eines medizinischen "Gütesiegels" - allerdings auf freiwilliger Basis - für möglich.
Dr. Manfred Richter-Reichhelm (1. Vorsitzender, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin), sieht bislang noch keinen Wettbewerb um Qualität, sondern einen Wettbewerb um gute Risiken. Angesichts begrenzter Finanzmittel hält Richter-Reichhelm eine Überprüfung des Leistungskatalogs für unabdingbar. Eine Forderung von ihm ist, alle versicherungsfremden Leistungen aus dem Katalog zu streichen, wie zum Beispiel Mutterschaftsvorsorge und Mutter-Kind-Kuren. Weiterhin sei zu überdenken, ob Leistungen, die eher dem Bereich "Wellness" zuzuordnen sind, weiterhin finanziert werden sollten. So sei Viagra sicher ein attraktives Medikament, aber wohl nur in absoluten Ausnahmefällen wirklich medizinisch notwendig. Neben Individualleistungen sei eine Definition über eine einheitliche Solidarleistung aller Krankenkassen notwendig, hier hält Richter-Reichelm die Einführung von Eigenbeteiligung für vertretbar.
Im Streitgespräch über die Neustrukturierung der Leistungskataloge sprach sich Dr. Hans-Jürgen Ahrens (AOK Bundesverband), für variable Tarife in den GKVen aus: Als Beispiel führte er das Thema "freie Arztwahl" und Hausarztmodell an.
Wilfried Johannßen (Mitglied des Vorstandes, Vereinte Krankenversicherung, München), hält Grund- und Wahlleistung für sinnvoll, die Aufteilung löse aber nicht die Probleme der GKV. Auch könne die GKV die freiwilligen Wahlleistungen nicht anbieten, das dies zu Problemen mit dem Solidarauftrag führen würde.
Eugen Münch (Vorsitzender des Vorstandes, Rhön Klinikum, Bad Neustadt), hält eine Kürzung des Leistungsumfangs der GKV um 20 Prozent für möglich, ohne die medizinische Versorgung für die Versicherten zu verschlechtern.
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